»Israel ist Europas Nachbar«

Der Krieg in Gaza spaltet die Welt. Zeit für einen neuen Blick auf die Region, sagt Nahost-Experte ­Daniel ­Gerlach. Die Europäer dürfen nicht anderen das Feld überlassen.

Hebräische Schrift auf einer Mauer, davor steht ein bewaffneter Mensch
Hoffnung: „Der Weg zum Frieden“ steht auf Hebräisch als Mosaik an einer Mauer nahe der Grenze zu Gaza. Dort führt Israel Krieg gegen die Hamas, deren Terror­attacke für das Land wie 9/11 für die USA war. Im Gazastreifen sind seither Zehntausende Menschen getötet worden. Frieden ist weit weg. Foto: Kobi Wolf / Bloomberg / Getty Images

Der Angriff am 7. Oktober 2023 traf Israel unvorbereitet: Von Gaza aus überfielen Hamas-Terroristen ­Siedlungen und ein Festival, töteten mehr als 1.200 Menschen und verschleppten 240 Geiseln. Die Antwort war ein Militäreinsatz, für den Ministerpräsident ­Benjamin ­Netanjahu drei Ziele formulierte: die Hamas vernichten, die Geiseln befreien und dafür sorgen, dass von Gaza nie wieder eine Bedrohung für Israel ausgeht. Ein Gespräch über Folgen, Wege aus der Eskalation und Europas Rolle mit dem Nahost-Experten ­Daniel ­Gerlach vom Thinktank ­Candid Foundation.

ARTE MagazinHerr Gerlach, wie blicken Sie nach fast einem Jahr auf den Krieg zwischen Israel und der Hamas?

Daniel GerlachUm das Ausmaß zu begreifen, muss man einen besonders in Europa ausgeblendeten Aspekt sehen: Israels Führung ging es auch darum, ein Exempel zu statuieren. Nicht nur die Hamas zu zerstören, sondern Gaza und seine Gesellschaft – womöglich auf Generationen. Dieses Ziel hat in einem nach dem 7. Oktober von Rache und Vergeltung erfüllten Diskurs Rückhalt in Teilen der israelischen Bevölkerung.

ARTE MagazinIsrael werden Kriegsverbrechen bis hin zu Völkermord vorgeworfen. Ist das für Sie nachvollziehbar?

Daniel Gerlach Internationale Gerichte, etwa der Chefankläger des Weltstrafgerichts, hegen den Verdacht und haben Zitate von Spitzenpolitikern gesammelt, die zu entsprechenden Straftaten aufrufen. Als Historiker hat mich eine Rede ­Benjamin Netanjahus zu Kriegsbeginn bewegt. Er nimmt Bezug auf Passagen im Alten Testament, in denen es um Gottes Befehl an König Saul geht, das Israel feindlich gesinnte, heidnische Volk von Amalek auszurotten. Eine solche historisch-biblische Referenz bringt jemand wie Netanjahu, der aus einem gebildeten Elternhaus kommt, nicht einfach so.

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