Achterbahn

Sie ist belustigend, berauschend, eskapistisch: die Achterbahn, Königin der Fahrgeschäfte. Seit Jahrhunderten sorgt sie für wohldosierte Adrenalinkicks. Was macht die Rummelrenner so faszinierend?  

Illustration: DXTR

Das Leben ist wie eine Achterbahn …“ ist wohl die Mutter aller Kalendersprüche. Das heftige Auf und Ab des – früher hölzernen, heute stählernen – Fahrgeschäfts weckt Emotionen. Egal ob als Metapher oder als Attraktion in Freizeitparks, auf Volksfesten oder Jahrmärkten. Etwa zwei Milliarden Menschen stürzen sich rund um den Globus jedes Jahr auf die Achterbahnen. Oft stehen sie stundenlang an, um sich wenige Minuten von einer ruckeligen Maschine den Magen verdrehen zu lassen. Was das soll? Eine ARTE-Dokumentation blickt im April auf das Phänomen Achterbahn im Gespräch mit zahlreichen Experten. 

Russische Berge und Kohleloren

Französische Soldaten brachten die Idee von Achterbahnen nach Europa: Nach ihrer Heimkehr vom erfolglosen Russland-Feldzug unter Napoleon im Jahr 1812 schwärmten sie von den sogenannten Montagnes Russes, den Russischen Bergen. Gemeint waren bis zu 20 Meter hohe Holzgerüste in St. Petersburg, die man im Winter mit Wasser übergoss, um dann auf den Eisbahnen hinunterzurutschen. In den USA kombinierte man die Idee der Rutschbahnen von 1870 an mit einer Technik aus dem Bergbau: Die Schwerkraft ausnutzend schickte man kleine Wägelchen auf Schienen die Holzbahnen hinunter. Statt mit Kohle ließen sich diese spaßeshalber eben auch mit Menschen füllen. Der Vorläufer der modernen Achterbahn war geboren.  

Lust auf Angst

Unter Achterbahnfans gibt es laut Sasha Szabo, Freizeitforscher und Autor des Buchs „Rausch und Rummel“ (2015), zwei Typen: die Angstsucher und die Angstmeider. „Die einen schreien laut, werfen die Arme in die Luft und stürzen sich voll ins Risiko. Die anderen klammern sich am Gefährt fest und schließen beim Looping die Augen.“ Was sie eint: die sogenannte Angstlust. „Achterbahnfahren setzt im Körper Hormone und andere Botenstoffe frei. Darum geht es letztlich.“ 

 

Foto: Montage+/ZDF

Faszination Achterbahn

Gesellschaftsdoku

Donnerstag, 28.4. — 20.15 Uhr  

bis 26.7. in der Mediathek

Eine schrecklich trubelige Familie

Wäre der Rummel eine Familie, hätte die Achterbahn eine kleine, rebellische Schwester – die Geisterbahn – und einen großen, weitsichtigen Bruder: das Riesenrad. „Diese betuliche Attraktion existiert komplementär zur Achterbahn und zielt nicht primär auf unsere Angstlust ab. Das Riesenrad verschafft uns dafür eine göttliche Perspektive auf den Rummel-Trubel“, erläutert Szabo.  

Die Bahn im Pop

Hauptsache Gefühle! So tickt die Popkultur. Da ist die Emotionsmaschine Achterbahn natürlich ein dankbares Sujet. Jason Dark etwa schrieb den Horror-Heftroman „Achterbahn ins Jenseits“ (1978) als Teil der John-Sinclair-Reihe. Zudem gibt es zahlreiche Kinofilme („Indiana Jones“, 1984), Computerspiele sowie Songs mit Bezügen – etwa von den Toten Hosen oder Schnulzensänger Ronan Keating. Und dann ist da noch Martin Semmelrogges Biografie, ihr Titel: „Das Leben ist eine Achterbahn“ (2006).  

In der Krise

Adrenalinkick und Eskapismus: Eine wilde Fahrt in der Achterbahn hilft uns, aus dem öden Alltag auszubrechen. Doch was geschieht, wenn Krisen die Normalität verdrängen? „Die Pandemie und jetzt der Ukraine-Krieg – das sind so außergewöhnliche Situationen, dass sich die Menschen schon im Alltag fühlen wie im Looping. Viele würden ihre Fahrt gerade lieber beenden und aussteigen“, sagt Sasha Szabo. Den Freizeitparks und Schaustellern haben die Corona-Restriktionen zusätzlich zugesetzt: Viele stecken in einer Existenzkrise. 

Interessante Fakten

  • Die erste Achterbahn Westeuropas eröffnete 1817 in Paris.
  • 139 Meter hoch ist die derzeit höchste Achterbahn: die Kingda Ka in New Jersey.

  • 300 Millionen Dollar, der Preis für die teuerste Bahn der Welt (Standort Florida). 

  • 7 Achterbahnen gibt es noch, die nur mit Bremsmeister fahren.

  • 240 km/h fährt die schnellste Achterbahn: Ferrari World in Abu Dhabi.