»Souverän in einer strikten Männerwelt«

Die Millionenbetrügerin Rudolfine Steindling (1934–2012) erwirtschaftete als Wiener Vermittlerin für den Handel mit der DDR ein Vermögen. In der ARTE-Dokumentation „Die Rote Fini: Die verschwundenen Millionen der DDR“, die neben Archivmaterial auch Reenactments enthält, verkörpert ­Adele ­Neuhauser die Unternehmerin.

Adele Neuhauser als Rudolfine Steindling ließt Bildzeitung
Nach dem Mauerfall wird ­Rudolfine Steindling als Vermittlerin der DDR nicht mehr gebraucht. Unklar bleibt, wo die Millionen sind, die unter ihrer Verantwortung abhanden gekommen sind. In der ARTE-Doku spielt ­Adele ­Neuhauser die gewiefte Geschäftsfrau. Foto: Ilona Grundmann Filmproduktions/ZDF

 

ARTE Magazin Frau Neuhauser, Rudolfine Steindling war ein komplexer Charakter, sie vereinte Kommunismus und Luxus-Liebhaberei. Wie spielt man so jemanden? 

Adele Neuhauser Ich habe versucht, sie mit dem wenigen Material, das es von ihr gibt, zu ergründen: ihre Art zu sprechen, ihren Habitus, ihre Erscheinung. Ich war erstaunt, wie ähnlich ich ihr sehe. Sie war eine gute Diplomatin und Netzwerkerin – es war schon außergewöhnlich, dass eine Frau in der damaligen Zeit auf diese Art und Weise handeln konnte. Viel ist über sie nicht bekannt – ein kluger Kniff, mit so vielen wichtigen Persönlichkeiten zu tun zu haben, aber sich dann auch sehr zurückzunehmen.

ARTE Magazin Ist das der Grund, warum ihr so viele DDR-Funktionäre vertraut haben?

Adele Neuhauser Genau. Sie hat alle Deals sehr gut vorbereitet, andere zum Handeln befähigt, Connections hergestellt – und Schwierigkeiten aus dem Weg geräumt. Offensichtlich konnte sie Konfliktsituationen sehr gut entschärfen. 

ARTE Magazin War Ihnen die Geschichte vorher bekannt?

Adele Neuhauser Nicht in dieser Form. Als die Anfrage kam, war ich gleich sehr interessiert: Da werden viele Konflikte verhandelt, die wir heute noch haben – der ganze gesellschaftliche Wahnsinn. Damals wurden Praktiken angewandt, die nach wie vor eine Rolle spielen, etwa das Umschiffen von Embargos. Finis Geschichte wäre auch fantastisch für einen Spielfilm. Bei einem Reenactment, dem Nachspielen, muss man sich – und das ist eine schöne Aufgabe – sehr an die Realität halten, wie die Person war. Ich habe das Gefühl, es ist noch nicht alles gesagt über Rudolfine Steindling, da schlummert noch etwas im Verborgenen. 

ARTE Magazin Was nehmen Sie von dieser Rolle mit?

Adele Neuhauser Wie sie sich in den hohen Kreisen bewegt hat, mit dieser Souveränität und Eleganz, gefällt mir sehr. Sie war weltgewandt und humorvoll – was sie in der strikten Männerwelt von damals gut bestehen ließ. 

ARTE Magazin An der Spitze von Wirtschaftsbetrieben waren Frauen zu jener Zeit die absolute Ausnahme. War Rudolfine Steindling eine Wegbereiterin? 

Adele Neuhauser Ich hoffe es. Dank der Frauenbewegung hat sich ja viel gewandelt. Meine Mutter war zum Beispiel auch eine eingefleischte Sozialistin. Trotz vieler starker weiblicher Persönlichkeiten haben sich die Männer früher durchgesetzt. Aber Fini gelang es, eine Balance zu finden – zwischen Schlichten, Umsetzen, Wahrgenommenwerden und mutigem Handeln. Sie war auch eine große Mäzenin und hat die Kunstwelt gefördert. Ich weiß nicht, inwieweit das ein heroischer Akt war oder dazu diente, die abgezweigten Gelder zu verteilen und ihr Gewissen zu beruhigen. Sie war im Grunde ja eine Wirtschaftskriminelle.

ARTE Magazin Was denken Sie, wie kam Rudolfine Steindlings kriminelle Energie zustande?

Adele Neuhauser Ihre Stieftochter sagt über Fini, sie sei eine geldgierige Person gewesen. Ich glaube schon, dass sie Geld gerne mochte. Aber ich bin mir fast sicher, dass sie sich völlig im Recht gefühlt hat – sie fand: dieses Geld, das sie erwirtschaftet hat, stünde der DDR nicht zu. 

Zur Person
Adele Neuhauser, Schauspielerin

Ihre Karriere begann die 1959 in Athen geborene Österreicherin in Deutschland als Theaterschauspielerin. Für Film und Fernsehen steht sie seit 1978 vor der Kamera. Seit 2011 verkörpert sie mitunter die Rolle der Wiener „Tatort“Kommissarin Bibi Fellner.

Die Rote Fini: Die verschwundenen Millionen der DDR

Geschichtsdoku

Donnerstag, 1.6. — 20.15 Uhr
bis 30.6. in der Mediathek