Außen hui, innen pfui

Nachhaltige Fonds sollen gut für Um­welt und Gesellschaft sein. Doch wie grün sind die begehrten Wertpapiere wirklich? Eine Studie liefert ernüchternde Resultate.

lllustration: Andrea Ucini

Etwas für das Klima tun, für die Nachkommen, für die Menschheit. Und obendrein Rendite machen. Die Werbeversprechen der Anbieter nachhaltiger Wertpapiere klingen verlockend. Kein Wunder, dass grüne Fonds bei Privatanlegern immer beliebter werden. Während 2013 nur fünf Prozent der Deutschen ihr Erspartes in nachhaltige Geldanlagen steckten, hatten im April 2022 laut einer Umfrage der Verbraucherzentrale Bremen fast ein Viertel der Anlegerinnen und Anleger grüne Titel im Depot. Der Trend dürfte sich weiter verstärken, denn mehr als die Hälfte der Befragten will künftig umweltbewusst und sozial verträglich Kapital aufbauen.

Banken, Fondsanbieter und Finanzberater erwarten gute Geschäfte; das Angebot an grünen Geldanlagen ist so vielfältig wie nie. Der ­Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) beziffert deren Marktvolumen in Deutschland auf rund 588 ­Milliarden Euro. 2021 sei der Markt um 28 Prozent gewachsen. Für die Finanzbranche könnten sich die grünen Papiere als anhaltende Umsatzbringer erweisen – wenn sie denn halten, was sie versprechen. Doch das ist keineswegs sicher.

Tariq Fancy, ehemals Chef für nachhaltige Geldanlagen beim Investmenthaus ­Blackrock, zählt zu den schärfsten Kritikern grüner Fonds. Die Branche betreibe Augenwischerei, denn „grüne Investments lenken von den tatsächlich erforderlichen Maßnahmen ab, die den Klimawandel bremsen könnten“, sagt der Ex-Fondsmanager. Im Interview mit dem Handelsblatt zog er unlängst einen drastischen Vergleich: „Wer glaubt, mit grünen Fonds das Klima zu retten, nimmt auch Placebos, wenn in Wirklichkeit Chemotherapie nötig ist.“

Ganz falsch liegt Fancy damit nicht, wie das Beispiel Taxonomie zeigt: Mit diesem Regelwerk hat die Europäische Union 2022 festgelegt, was als nachhaltig gilt – Atomkraft, Erdgas und die Luftfahrtindustrie gehören dazu. Mit der seit 2021 geltenden ­Offenlegungsverordnung (Sustainable Finance Disclosure Regulation, SFDR) will Brüssel zudem Greenwashing verhindern: Fondsanbieter müssen seither darlegen, wie gut ihre Produkte die nachhaltigen ESG-Kriterien (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) erfüllen – zumindest in der Theorie.

„Die Praxis sieht leider anders aus“, sagt ­Magdalena Senn, Volkswirtin und Referentin für nachhaltige Finanzmärkte bei Finanzwende Recherche in Berlin. Im vergangenen Herbst hat ihr Team 314 in Deutschland mit dem Etikett „nachhaltig“ vermarktete Fonds mit einem Kapital­volumen von mehr als 100 Milliarden Euro durchleuchtet. Ergebnis: Fast alle angeblich grünen Fonds enthalten Aktien von Unternehmen, die ganz und gar nicht für Nachhaltigkeit stehen. „Die Portfolios der nachhaltigen Fonds unterscheiden sich in der Summe nur marginal von denen der konventionellen Fonds“, erläutert die Wertpapierexpertin im Gespräch mit dem ARTE Magazin. So lägen mehr als 70 Prozent der Investitionen der untersuchten Fonds im Bereich Energie im fossilen Sektor; 100 Millionen Euro steckten die Manager grüner Fonds in die Kohle­industrie. Überdies fänden sich Aktien von umstrittenen Pharmakonzernen wie ­Johnson & ­Johnson, dessen Schmerzmittel zur Opioid-Krise in den USA beigetragen haben, oder von Öl-Multis wie Shell, ­Exxon ­Mobil und ­Total im Fondsvermögen. Rund 563 Millionen Euro seien zudem in Amazon-­Aktien investiert, 439 Millionen Euro davon hätten die Fonds allein seit 2019 zugekauft.

Grüne Fonds, die große Illusion?

Gesellschaftsdoku

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GRÜNE MOGELPACKUNGEN

„Das Versprechen der Anbieter, etwas Gutes für ­Menschen und Umwelt zu tun, ist häufig Grünfärberei“, urteilt Senn. „Die Offenlegungsverordnung schafft zwar mehr Transparenz, ist aber kein Garant für Nachhaltigkeit. Nur wenige Fondsanbieter achten bei der Auswahl geeigneter Aktien streng darauf, ob die Unternehmen tatsächlich umweltbewusst oder sozial verträglich handeln.“ Es fehle an Kon­trollen und an strikten Richtlinien für Gütesiegel.

Wer bei nachhaltigen Investments sichergehen will, kann allerdings die Bewertungen unabhängiger Anbieter wie ­Sustainalytics oder MSCI ESG Research zurate ziehen. Auch die Datenbank „Faire Fonds“ des Verbraucherschutzvereins ­Facing ­Finance ist nützlich: Anlegerinnen und Anleger finden dort einen Fragenkatalog, mit dem sie den von Banken und Finanzdienstleistern angepriesenen Produkten auf den Zahn fühlen können. „Das zahlt sich immer aus“, sagt Senn. „Denn wer die richtigen Fragen stellt, kann Mogelpackungen besser erkennen.“

Grüne Fonds sind kein Garant für Nachhaltigkeit

Magdalena Senn, Volkswirtin und Fondsexpertin