Es ist das teuerste Gemälde der Welt: Das Leonardo da Vinci zugeschriebene Christus-Porträt „Salvator Mundi“ wird am 15. November 2017 vom Auktionshaus Christie’s für die Rekordsumme von 450,3 Millionen US-Dollar versteigert. Dabei ist die Urheberschaft des um 1500 entstandenen Werks noch immer nicht geklärt – viele Kritiker sind überzeugt, das Ölgemälde stamme nicht aus der Hand des Renaissancekünstlers, allenfalls von einem seiner Schüler. Was aber bedeutet die Transaktion für den Kunstmarkt? Und warum wurde ausgerechnet dieses Werk zum teuersten der Geschichte?
Im ARTE-Dokumentarfilm „Salvator Mundi oder Der verschollene Leonardo“ erzählt der Kunsthändler Alexander Parish, wie er den „Salvator Mundi“ 2005 für gerade einmal 1.175 US-Dollar in New Orleans ersteigerte: „Ein Sleeper ist ein Gemälde, das in der Regel auf Auktionen angeboten wird – und von einem sehr viel besseren Künstler stammt, als das Auktionshaus annimmt. Ein Bilder-Jäger sucht nach solchen Fehlern.“ Zwar war bekannt, dass da Vinci, von dem nur 15 Gemälde erhalten sind, an einem Jesus-Porträt gearbeitet haben soll, doch galt dessen Auftauchen auf dem Kunstmarkt als höchst unwahrscheinlich. Bis Parish den in einem miserablen Zustand befindlichen „Salvator Mundi“ entdeckte. In einem schwarzen Plastikmüllsack bringt er das Bild zur renommierten Restauratorin Dianne Modestini. Nachdem sie das Bild akribisch restauriert hat, ist sie überzeugt: Es handele sich hierbei um einen echten Leonardo da Vinci. 2011 wird das Gemälde in der National Gallery in London erstmals als sein Werk ausgestellt. Ein nicht unerhebliches Gütesiegel: Der Genfer Kunstberater Yves Bouvier kauft „Salvator Mundi“ daraufhin zwei Jahre später – für 83 Millionen US-Dollar. Und verkauft ihn nach nur zwei Tagen folgenreich weiter an den russischen Oligarchen Dmitri Rybolowlew – für satte 127,5 Millionen US-Dollar. Er ist es schließlich, der bei der Versteigerung von Christie’s den Rekordpreis von knapp einer halben Milliarde Dollar vom saudi-arabischen Kronprinzen Mohammed bin Salman einkassiert.
Geldwäsche via Drogen, Prostitution – und Kunst
Seit der Ende der 1980er Jahre eingesetzten Boom-Phase für Malerei vervielfachen sich die Preise unaufhörlich: 1980 lag der Spitzenwert bei Auktionen etwa noch bei 6,4 Millionen US-Dollar. 1987 wurden dann bereits 53,9 Millionen US-Dollar für ein Blumen-Bild Vincent van Goghs gezahlt. Auf der Liste der teuersten Gemälde folgen inzwischen Andy Warhols „Shot Sage Blue Marilyn“ (195,04 Millionen US-Dollar) und Pablo Picassos „Die Frauen von Algier, Version ‚O‘“ (179,4 Millionen US-Dollar).
Inwiefern solche Kaufpreise den tatsächlichen Wert eines Kunstwerks darstellen, hat viel mit Psychologie zu tun. Auktionshäuser entwickeln etwa einfallsreiche Marketing-Kampagnen, um den Hype bestimmter Werke zu maximieren. Im Fall des „Salvator Mundi“ entwickelte Christie’s nicht nur den verkaufsfördernden Slogan „Die männliche Mona Lisa“. Das Auktionshaus produzierte auch ein Werbevideo, in dem man nicht das Gemälde zu Gesicht bekommt, sondern die in Szene gesetzten Reaktionen von Menschen während seiner Betrachtung. Auch Leonardo DiCaprio ist zu sehen. Im Anschluss schickte man das Gemälde um den Globus, was kilometerlange Warteschlangen vor den Ausstellungsorten zur Folge hatte. Die umstrittene Urheberschaft hielt die Leute nicht fern – ihnen genügte allein die Vorstellung. „Alle wollten, dass es ein Leonardo ist. Deshalb hatten alle einen wohlwollenden Blick“, sagt Kunstmarktexpertin Georgina Adam. Die US-Sicherheitsbehörde FBI greift derweil einen anderen Aspekt auf: „Hier geht es nicht mehr um Kunst. Es geht um das Verschieben von Geldern“, betont Robert Wittman, Gründer der Abteilung Kunstkriminalität des FBI. „Der Kunstmarkt ist neben Drogen und Prostitution der am wenigsten regulierte Markt der Welt.“ Die meisten Transaktionen würden im Verborgenen abgewickelt – etwa in Freihäfen, in denen Gegenstände steuerfrei gehandelt werden.
Wo sich der „Salvator Mundi“ derzeit befindet, ist unklar. Das Vorhaben, ihn zum 500. Todestag von Leonardo da Vinci im Pariser Louvre neben der „Mona Lisa“ auszustellen, scheiterte jedenfalls. So geht es längst nicht mehr um die Wahrheit seiner Urheberschaft, sondern um Macht. Auch die Macht, ihn nicht zu präsentieren.