Sechs Lebenswege und 23 Jahre Weltgeschichte verdichtet auf rund fünf Stunden Filmmaterial – eine Aufgabe, die polnische Regisseurin Olga Chajdas und Co-Regisseur Frank Devos als großes Experiment bezeichnen. Sie entwickeln in der Dokureihe „Die Spaltung der Welt: 1939–1962“ eine Perspektive, die über Europa hinausgeht und auch Israel, China, die Sowjetunion und die USA in den Blick nimmt. Auf Basis sorgfältiger historischer Recherchen entwirft das internationale Filmteam eine fiktionalisierte Annäherung an die Erfahrungen von sechs ausgewählten Persönlichkeiten. Darunter Hedwig Höß, Ehefrau des Kommandanten des Konzentrationslagers Auschwitz, sowie der kommunistische Funktionär Nikita Chruschtschow, der 1953 mächtigster Mann der Sowjetunion wurde.
ARTE Magazin Frau Chajdas, sind Sie grundsätzlich gut darin, Kompliziertes auf den Punkt zu bringen?
Olga Chajdas Überhaupt nicht. Betrachtet man meine früheren Arbeiten wie den Film „Imago“ (2023), in dem es um die Identitätssuche einer jungen rebellischen Frau im postsowjetischen Polen geht, dann sieht man, dass ich verstrickte Plots mag. Auch im Leben neige ich eher zur Ausschweifung statt zur Zurückhaltung. Das konnte ich mir bei diesem Projekt nicht erlauben, da zählte jede Minute.
ARTE Magazin Die sechs Lebensläufe müssen sehr bewusst ausgewählt worden sein. Es werden dabei teils auch weniger bekannte Figuren der Zeitgeschichte vorgestellt. Warum?
Olga Chajdas Das stimmt, die Drehbuchschreiber und -schreiberinnen haben sich gegen ikonische Bilder und auch dagegen entschieden, nur bekannte und ikonische Figuren in den Fokus zu stellen. Das hat mir und dem zweiten Regisseur Frank Devos viel Freiheit gegeben, diese Zeit mit einem eigenen Blick zu betrachten. Ich kannte anfangs selbst nur Golda Meir, die jüdische Aktivistin, die später zur Ministerpräsidentin Israels wurde, sowie Nikita Chruschtschow. An all die anderen Figuren, etwa Frantz Fanon, ein Vordenker der Dekolonialisierung, habe ich mich Stück für Stück herangetastet. Letztlich haben Frank und ich uns dann die Charaktere aufgeteilt, um uns ganz auf deren jeweilige Psychologie, ihre Beweggründe, Träume und Ängste fokussieren zu können.
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