Die Zerrissene

Die Hauptrolle in „Vom Winde verweht“ machte Vivien Leigh unsterblich. Auch ihrem privaten Leben mangelte es nicht an Drama.

Vivien Leigh
Schauspielerin Vivien Leigh fasziniert auch mehr als 80 Jahre nach ihrem großen Erfolg im Film „Vom Winde verweht“ Foto: Silver Screen Collection_Getty Images

Als im Dezember 1938 die spektakulärste Szene des Films „Vom Winde verweht“ gedreht werden sollte – der Brand von Atlanta –, da war immer noch unklar, wer eigentlich die Hauptrolle spielen wird. Für die Figur der Scarlett O’Hara, einer 16-jährigen Südstaaten-Schönheit, hatte Produzent ­David O. ­Selznick fast alle Stars des damaligen Hollywood vorsprechen lassen. Doch keine der berühmten Damen hatte seinen Vorstellungen genügt. Dann, so heißt es, erblickte er zum ersten Mal ­Vivien Leigh – im Schein der Flammen, die Atlanta zerstörten. Oder genauer gesagt: vor einer Filmkulisse, die noch von den Dreharbeiten zu „King Kong“ aus dem Jahr 1933 herumstand. Die britische Schauspielerin befand sich zu diesem Zeitpunkt erst am Beginn ihrer Karriere. Weil sie sich selbst jedoch als ­ideale Besetzung für die damals begehrteste Rolle Hollywoods sah, war sie einfach zu den Dreharbeiten gekommen. In der Hoffnung, von ­Selznick gesehen zu werden.

Auch wenn diese Geschichte womöglich Teil einer bewussten Legendenbildung ist, so gehört das Ergebnis doch in die Geschichtsbücher: Vivien Leigh, geboren 1913 in Darjeeling im britisch besetzten Indien, spielte letztlich tatsächlich ­Scarlett O’Hara­, sie überstand die unfreundliche Behandlung durch Clark ­Gable, den Star, der sie als „zu unbedarft“ abtat. Sie ließ sich auch nicht beirren, als Regisseur ­George ­Cukor durch ­Victor ­Fleming ersetzt wurde, der sich eine bravere Scarlett wünschte. ­Vivien Leigh verlieh der Figur am Ende ihr ganz eigenes Profil – und wurde für ihren Einsatz mit einem Oscar belohnt.

Der Mann, der sie damals ans Filmset brachte, galt offiziell nur als Freund, er war aber ihr Lebensmensch: ­Laurence ­Olivier, der größte englische Schauspieler seiner Generation. Für Leigh hieß er Larry. Da sie früh geheiratet hatte und er ebenfalls gebunden war, mussten sie ihre Beziehung geheim halten. Eine Fotografie, die beide auf einem Schiff auf dem Weg in die USA zeigt, verdeutlicht ihr Liebesglück – zu sehen in ­Priscilla ­Pizzatos Porträt „­Vivien Leigh – Die Frau hinter ­Scarlett“, das ARTE im Januar zeigt. In den Archiven fanden sich noch zahlreiche weitere Aufnahmen, die hinter den schönen Schein blicken lassen, dem in Hollywood alles untergeordnet wird. Nicht alles aber ist für die Nachwelt überliefert. So blieb Leigh zeitlebens dem Theater treu; von ihren Bühnenauftritten gibt es aber nur wenige Fotografien, dafür viele gehässige Kritiken. Auch solche Details sind für das Bild von Belang, das ­Pizzato von Leigh zeichnet.

1951 hatte die Schauspielerin ihren zweiten Moment für die Ewigkeit. An der Seite von ­Marlon ­Brando spielte sie die Rolle der Blanche DuBois in ­Elia ­Kazans Drama „Endstation Sehnsucht“. Für die Darstellung der schwierigen, zerrissenen Frau bekam sie nicht nur ihren zweiten Oscar, sondern brachte auch mehr persönliche Erfahrung mit, als das Publikum ahnen durfte. Das Leben der Schauspielerin war nach dem frühen Ruhm von psychischen Problemen und Krankheit geprägt.

Auch die Beziehung zu ­Laurence ­Olivier zerbrach; er schrieb von einem „Monster“, das die Entfremdung verschuldet hatte: eine bipolare Störung. Damals sprach man von einer „manisch-depressiven Erkrankung“. Leigh wurde mit Elektroschocks behandelt. Zu allem Überfluss verfolgten sie Klatschreporter mit Gerüchten, sie ließe sich mit wildfremden Menschen ein und sei nymphoman. ­Pizzatos Porträt würdigt demgegenüber auch das spätere Werk von ­Vivien Leigh, die 1967 in London offenbar an Tuberkulose verstarb. Und noch auf den letzten Fotografien erkennt man das Funkeln in ihren Augen, das damals im Dezember 1938 wohl den Ausschlag für ihre Verwandlung in ­Scarlett O’Hara­ gegeben hatte.

Vivien Leigh – Die Frau hinter Scarlett

Porträt

Sonntag,
3.1. — 22.15 Uhr
bis 21.3. in der Mediathek