Wer zuletzt lacht

Große Klappe, mehr dahinter: Hinter Eddie Murphys Clownmaske verbarg sich immer auch scharfe Kritik am weißen Amerika. In der deutschen Synchronisation ging der politische Unterton jedoch meist verloren.

Porträt von Eddie Murphy
Ob als Stand-up-Superstar oder auf der Leinwand: Eddie Murphy avancierte in den 1980er Jahren zur Pop-­Ikone – und erschütterte mit seinen Gags die Gewiss­heiten des weißen Amerikas. Über einen Pionier, der lange unterschätzt wurde. Foto: NBC Universal / Getty Images

Es hätte auch anders kommen können. Der Geschichte von ­Edward ­Regan ­Murphy, wie ­Eddie ­Murphy bürgerlich heißt, fehlt zunächst jede Komik. Sie beginnt im New Yorker Stadtteil Brooklyn, wo er 1961 als Sohn einer Telefonistin und eines Verkehrspolizisten zur Welt kam. Als er drei war, ließen sich seine Eltern scheiden. Fünf Jahre später wurde sein Vater von seiner neuen Lebensgefährtin ermordet. Seine Mutter machte fortan Überstunden, um ihre Söhne allein durchzubringen. Dann erkrankte sie schwer und musste die beiden vorübergehend zu Pflegeeltern geben.

Mit dem jungen Eddie Murphy hätte es von da an bergab gehen können. Seine Heimatstadt New York galt in den 1970er Jahren als „City on the brink“ („Stadt am Boden“) und verzeichnete die höchste Kriminalitätsrate in den USA. Jugendliche schlossen sich in Straßengangs zusammen, kontrollierten die Blocks und bekämpften sich gegenseitig. Aber ­Murphy war nicht der Typ, der die Erwartungen erfüllte. Schon gar nicht die der weißen Mehrheitsgesellschaft, die für einen vom Schicksal gebeutelten, afroamerikanischen Teenager die Rolle des Drogendealers oder Gangsters vorsah. Anstatt die gängigen Stereotype zu erfüllen, machte er sie zum Aufhänger für seine Weltkarriere als Comedian und Schauspieler, die die ARTE-Dokumentation „­Eddie ­Murphy, Hollywoods schwarzer König“ illustriert.

Eddie Murphy, Hollywoods schwarzer König

Porträt

Freitag, 3.11. — 21.45 Uhr
bis 1.1.24 in der
Mediathek

VON DER STAND-UP-BÜHNE NACH HOLLYWOOD 

Bereits als 15-Jähriger schrieb Murphy eigene Stand-up-Nummern, mit denen er in Jugendzentren und Nachtclubs auf Long Island auftrat. Nach seinem Highschool-­Abschluss bewarb er sich bei „Saturday Night Live“ (SNL) – und schaffte es nach sechs Vorsprechrunden in den Cast der TV-Show. Dort stellte er die Regeln des US-amerikanischen Fernsehens auf den Kopf: Er sagte schneller und öfter „Fuck“, als die Produzenten ihn beepen konnten. Und forderte das scheinbar liberale Amerika der 1980er Jahre in Bezug auf Identitätsfragen sowie rassistische Vorurteile heraus. Für den Sketch „White Like Me“ (1984) ließ er sich etwa das Gesicht kalkweiß schminken und stakste, mit Aktenkoffer und Anzug, seltsam aufrecht durch New York City. Voller gespielter Überraschung stellte er fest, dass die Menschen ihm anders begegneten: beim Einkaufen, beim Busfahren, bei einem Banktermin. Rückblickend schoss ­Murphy bei einigen Gags durchaus auch übers Ziel hinaus. Er teilte hemmungslos gegen Chinesen und Italiener aus, gegen Frauen und Schwule. „Es war eine andere Welt damals. Politische Korrektheit existierte nicht“, sagte er später – und entschuldigte sich öffentlich für seine Witze auf Kosten Homosexueller.

Trotz seiner wachsenden Bekanntheit erlebte ­Murphy auch selbst immer wieder Diskriminierung. Kollegen von „SNL“ berichteten, dass sie den Publikumsliebling nach jeder Show vor die Tür begleiten mussten, um ihm ein Taxi heranzuwinken. Für einen Schwarzen, so die Erklärung, würde nachts kein Fahrer anhalten. ­Murphy revanchierte sich auf seine Art: Mit Anfang 20 gelang ihm der Sprung nach Hollywood, wo er innerhalb kurzer Zeit zum bestbezahlten Schauspieler seit ­Marilyn ­Monroe avancierte. Als ­Reggie ­Hammond in „Nur 48 ­Stunden“ (1982) hilft er dem weißen Cop Jack (Nick ­Nolte), ein Verbrechen aufzuklären. In „Die Glücksritter“ (1983) wird er in der Rolle des Obdachlosen ­Billy Ray Valentine in ein Sozialexperiment verwickelt und tauscht seine Identität mit einem reichen weißen Investor. „Ich war der Erste, der nicht nur als Nebenfigur in die Filme der Weißen vorgedrungen ist, sondern das Kommando übernommen hat“, so ­Murphy. 1989 verhandelte er seinen Vertrag mit der Produktionsfirma Paramount Pictures neu – und erwarb als erster schwarzer Schauspieler in Hollywood das Recht, seine Filme mitzuproduzieren.

Leider blieb die Pionierarbeit, die Murphy in den 1980er und 1990er Jahren leistete, in der deutschen Synchronisation seiner Filme teilweise auf der Strecke: Die Sprecherstimme ließ ihn deutlich alberner klingen als im Original. Mittlerweile hat der Hollywood-­Veteran einen neuen Synchronsprecher. 2021 gelang ihm mit „Der Prinz aus ­Zamunda 2“ ein bemerkenswertes Comeback. Den nächsten Coup will er als Detective ­Axel ­Foley in „­Beverly Hills Cop 4“ landen. Es sei ein Drehbuch ganz nach seinem Geschmack, verriet Murphy, und „am Puls der Zeit“. Seit dem ersten Teil, der 1984 ins Kino kam, hat sich eben nicht nur Hollywood verändert.

Die 1980er Jahre waren eine andere Welt. Politische Korrektheit gab es nicht

Eddie Murphy, Stand-up-Comedian und Schauspieler