»Ein Geschenk des Himmels«

SALZBURGER FESTSPIELE Zur Feier seines 100-jährigen Bestehens trotzt das Festival der Pandemie. Sopranistin Elsa Dreisig singt dort in Mozarts Oper „Così fan tutte“, die ARTE live überträgt.

Foto: Simon Fowler/Parlophone Records ltd

Als Max Reinhardt, Richard Strauss und ­Hugo von ­Hofmannsthal 1920 die Salzburger Festspiele gründeten, hätten sie sich wohl nie erträumen lassen, dass 100 Jahre später das Jubiläum ihrer Institution im Zeichen einer Pandemie stehen würde. Dennoch wollte die Festspielleitung um Präsidentin ­Helga Rabl-­Stadler und Intendant ­Markus ­Hinterhäuser das Festival auch und besonders in diesem Jahr ermöglichen. „Um eine Sehnsucht der Menschen zu erfüllen“, so ­Hinterhäuser. Virtuelle Angebote allein seien dafür nicht ausreichend. Und so findet das Ereignis statt – mit zahlreichen Schutzmaßnahmen, weniger Spielstätten und kleinerem Publikum als üblich. Auf dem Programm steht auch ­Mozarts Oper „Così fan tutte“, deren Premiere ARTE am 2. August überträgt. Darin singt die dänisch-französische Sopranistin ­Elsa ­Dreisig die Rolle der ­Fiordiligi. Mit dem ARTE Magazin sprach die 29-Jährige über ihre Liebe zu dieser Figur, die Schwäche manipulativer Männer sowie das Glück der dänischen Hygge-Kultur.

ARTE MAGAZIN Frau Dreisig, nun stehen Sie bei diesem weltberühmten Festival auf der Bühne, das ausgerechnet zu seinem großen Jubiläum von der Corona-Pandemie überschattet wird. Ist dies für Sie als Sängerin ein trauriger Umstand?
Elsa Dreisig Im Gegenteil. Es ist eine wunderbare Botschaft inmitten vieler schlechter Nachrichten. Die Entscheidung, das Festival trotzdem stattfinden zu lassen, beweist großen Mut der Verantwortlichen. Ich sehe es als eine Art Widerstand und ich bin sehr glücklich, ein Teil davon zu sein.

ARTE MAGAZIN Sie stecken bereits in den Proben. Wie verlaufen diese in den aktuellen Zeiten?
Elsa Dreisig Natürlich können wir nicht mit Maske singen, aber sobald wir die Bühne verlassen, ziehen wir eine an. Wenn sich nur einer nicht an die Regeln hält, ist das Ganze in Gefahr. Wir tragen alle eine enorme Verantwortung.

ARTE MAGAZIN Hat Sie die Krise sehr getroffen?
Elsa Dreisig Alle meine ursprünglichen Aufträge sind weggefallen. Doch zum Glück kamen neue Projekte, darunter das Engagement für Salzburg. Für mich ist das ein Geschenk des Himmels.

ARTE MAGAZIN Die Folgen des Virus waren und sind besonders für Kulturschaffende hart. Hätten Sie für die Betroffenen ein paar aufmunternde Tipps?
Elsa Dreisig Ich weiß, dass ich mich zurzeit in einer privilegierten Situation befinde, weswegen es mir schwerfällt, Ratschläge zu geben. Aber ich habe selbst düstere Momente erlebt und gelernt: Man darf nie aufgeben. Gerade aus Zweifeln und Krisen ergeben sich oft neue Perspektiven.

ARTE MAGAZIN Sie singen nun in Mozarts berühmter Oper die Rolle der ­Fiordiligi. Mögen Sie sie?
Elsa Dreisig Ich vergöttere diese Figur!

ARTE MAGAZIN Fiordiligi und ihre Schwester werden von ihren Geliebten auf die Probe gestellt. Die Herren verkleiden sich und geben sich als Fremde aus, um die Treue der Damen zu testen. Sie umwerben die Schwestern, bis diese nachgeben. Eine ziemlich fiese Masche, oder nicht?
Elsa Dreisig Die Männer treiben hier ein furchtbar grausames Spiel mit den Frauen. Sie werden manipuliert und schließlich destabilisiert.

ARTE MAGAZIN Sie klingen betroffen.
Elsa Dreisig Fiordiligi wurde in der Geschichte dieser Oper einfach zu oft missinterpretiert.

ARTE MAGAZINInwiefern?
Elsa Dreisig In vielen Inszenierungen wurde sie als prüde und dümmlich dargestellt. Dabei sind hier nicht die Frauen, sondern die Männer das Problem. Ihre manipulative Art ist – das ist nichts Neues – eine Folge ihrer Schwäche und Angst.

ARTE MAGAZIN Eine Chance für Sie als Interpretin?
Elsa Dreisig Auf jeden Fall, denn ich halte es für meine und unsere moralische wie künstlerische Verantwortung, diesen Figuren Respekt entgegenzubringen und an ihre Intelligenz zu glauben.

ARTE MAGAZIN Apropos Frauen. Auch heute noch sind Dirigentinnen rar. Die musikalische Leitung in „Così fan tutte“ übernimmt nun ­Joana ­Mallwitz. Ein Grund zur Freude für Sie?
Elsa Dreisig Das Verhältnis zwischen Sängerin, Sänger einerseits und Dirigentin, Dirigent andererseits gehört für mich zu den kompliziertesten. ­Joana ist ein absoluter Glücksfall. Sie ist nicht nur hochtalentiert, sondern auch sehr respektvoll.

ARTE MAGAZIN Seit der Spielzeit 2017/2018 sind Sie Ensemblemitglied der Staatsoper Unter den Linden. Fühlen Sie sich in Berlin wohl?
Elsa Dreisig Berlin ist für mich einer der besten Orte, an denen man aktuell leben kann. So international und mit viel Natur im Umland.

ARTE MAGAZIN Ihre Mutter ist Dänin, ihr Vater Franzose. Was schätzen Sie an beiden Kulturen?
Elsa Dreisig Ich liebe an Frankreich die Sprache, erlebe aber einen zunehmenden Egoismus in der Gesellschaft. In Dänemark achten die Menschen mehr aufeinander. Das ist wohl typisch skandinavisch. Und es gibt dort die wunderbare Kultur des Hygge. Es steht fürs Glücklichsein und besonders für die Gemütlichkeit zu Hause.

ARTE MAGAZIN Es ist gerade Urlaubszeit, doch viele verreisen wegen des Coronavirus nicht. Planen auch Sie hyggelige Ferien daheim?
Elsa Dreisig Nicht ganz. Ich mache mit meinem Freund eine Motorradtour durch Südfrankreich und kann es kaum erwarten.

Salzburger Festspiele 2020: Così fan tutte

Oper
Sonntag, 2.8. • 17.00 Uhr