In meiner Familie haben die deutschen, die französischen und sogar die gemischten Mitglieder eines gemein: Wir sind alle furchtbar unsportlich. So darf mein Mann nicht mehr mitmachen, wenn seine Freunde Fußball spielen, weil er bei seinem letzten Einsatz als Torwart ganze 13 Tore kassierte. Mich überholen beim Joggen alle, sogar die Rentner. Und unsere Kinder fallen gerne mal über ihre eigenen Füße. Da keiner von uns mit Schnelligkeit, Kraft oder Geschicklichkeit gesegnet ist, könnte man meinen, uns ginge es – da von Spiel und Sport ausgeschlossen – hin und wieder schlecht. Doch Gott sei Dank haben die Franzosen vor rund hundert Jahren einen Sport erfunden, bei dem andere Werte zählen: ein ausgeprägter Hang zur Geselligkeit sowie ein gewisses Maß an Schwatzhaftigkeit: die Pétanque. Das Spiel mit den kleinen Metallkugeln, mit denen man der Zielkugel namens Schweinchen – „cochonnet“ – möglichst nahe kommen muss, steht in Frankreich auf Platz fünf der beliebtesten und meistpraktizierten Sportarten. In jedem noch so kleinen Dorf gibt es ein Spielfeld dafür – ein „terrain de pétanque“. Und auch dort, wo ein solches fehlt, etwa am Strand, spielen Franzosen von Kindesbeinen an diese Variante des Boule.
Man vermutet, dass die Römer den Vorläufer des Spiels nach Gallien brachten, genauer nach Marseille und Lyon. Anfangs waren für den Erfolg noch ein gewisser Körpereinsatz und sogar Eleganz vonnöten. In La Ciotat nahe Marseille lebte damals ein gewisser Jules, genannt Le Noir. Der war lange ein hervorragender Kugelwerfer – bis seine Beine schlapp machten. Um ihn aufzuheitern, so erzählt man sich in Frankreich, erfanden seine Freunde kurzerhand eine neue Art des Boule. Dabei muss der Spieler nicht mehr Anlauf nehmen, sondern auf einem Fleck stehen und von dort aus werfen: Die Pétanque war geboren. Wir spielen sie vor allem im Urlaub, wenn gegen Abend die Sonne tiefer steht, die Grillen zirpen und es Zeit ist, den Tag bei einem Glas Rotwein ausklingen zu lassen. Diesen so entspannenden Zeitvertreib Sport zu nennen, das konnte wohl nur den Franzosen einfallen.
Die Autorin lebt seit 2009 in Straßburg und arbeitet als freie Journalistin.