Heute kein Abendessen

Ob Heilfasten oder Saftkur – viele Menschen verzichten regelmäßig aufs Essen. Sie wollen gesünder und länger leben. Die Forschung zeigt: Fasten kann erstaunliche Wirkung haben.

Leerer Teller auf pastellfarbenem Hintergrund
Ist Fasten nur eine Mode? Oder kann es Krankheiten lindern? Die Forschung beschäftigt sich verstärkt mit der therapeutischen Wirkung des Fastens. Foto: twomeows/Getty Images

Den Speiseplan von Rockstars hatte man sich üppiger vorgestellt. Doch Bruce ­Springsteen, so erzählte er es einmal, isst bloß einmal am Tag richtig. Gut, ein bisschen Obst am Morgen gibt es vielleicht, sonst aber nur Abendessen. Das, so der Sänger, halte ihn fit und schlank. Er scheint damit nicht schlecht zu fahren, denn auch mit Mitte 70 ist ­Springsteen für seine stundenlangen, mutmaßlich kräftezehrenden Konzerte bekannt. Der Coldplay-Sänger Chris Martin befolgt eine ähnliche Essensroutine, ebenso manche Wissenschaftler oder Unternehmer aus dem Silicon Valley. Alle Kalorien des Tages in ein oder zwei Stunden zu quetschen: Das mag eine besonders extreme Form des Intervallfastens sein. Aber allein sind diese Menschen mit ihrer Vorliebe fürs Essenweglassen nicht.

Denn schon seit einiger Zeit setzt sich die Überlegung durch, dass nicht nur zählt, was man isst, sondern auch, wann und wie oft. Das Fasten, ursprünglich aus Knappheit geboren und später Teil zahlreicher Religionen, ist für viele zum Lebensstil geworden. Immer mehr Menschen praktizieren es regelmäßig, um sich gesünder und besser zu fühlen. Manche darben in teuren Luxuskliniken, andere trinken zu Hause Saft. Keine Pasta, kein Kuchen, kein Alkohol: Es geht darum, sich vom Ballast des Konsumierens zu befreien und einmal alles auf null zu setzen. Um eine Art Neustart für Körper und Geist.

Dabei hatte man das Fasten lange als Tick genussfeindlicher Asketen belächelt. Denn kann es gesund sein, dem Körper vorzuenthalten, was er zum Überleben braucht? Spätestens in den vergangenen zehn Jahren aber hat sich ein Bewusstseinswandel vollzogen – und nicht nur im Lifestyle-Segment. In dieser Zeit ist in der Wissenschaft viel publiziert worden. Von Bluthochdruck, Diabetes und Arthrose bis zur Forschung zu Krebs und Parkinson: Das Fasten findet mittlerweile in vielen Bereichen der Medizin Einzug.

Tatsächlich dürfte es in der Geschichte der Evolution öfter vorgekommen sein, dass Menschen ohne Nahrung dastanden. Nämlich dann, wenn sich gerade nichts zum Jagen oder Sammeln fand. „Deswegen besitzen wir eine Fähigkeit, die uns heute viele Schwierigkeiten bereitet: Wir können Fett einlagern“, sagt ­Andreas ­Michalsen im Gespräch mit dem ARTE Magazin. Er ist Professor für Klinische Naturheilkunde an der Berliner Charité und Chefarzt am Immanuel Krankenhaus Berlin. Bekommen wir nichts zu essen, erklärt ­Michalsen, schaltet der Körper in eine Art Notfallprogramm, in dem er angesammelte Reserven verarbeitet. Allerdings kommt das angesichts voller Supermarktregale und verbreiteter Snack-Kultur heute selten vor. „In den industrialisierten Ländern essen wir dauernd und zu viel.“

Wer fastet, schmeißt aber genau dieses Verbrennprogramm an. Normalerweise bezieht der Körper seine Energie aus Blutzucker. Ist der verbraucht, weil kein Essen nachkommt, greift er zunächst auf Kohlenhydrate in der Leber zurück. Nach rund zwölf Stunden ohne neue Kalorien geht es dann ans Fett, das in sogenannte Ketonkörper umgewandelt wird. Statt Glukose sind jetzt sie der Treibstoff; der Körper befindet sich in Ketose. Dank dieses Alternativbetriebs können Menschen – je nachdem, wie viele Fettreserven sie haben – einige Wochen fast ohne Nahrung auskommen.

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Fasten – Ein Phänomen wird erforscht

Wissenschaftsdoku

Samstag, 25.1.
— 21.45 Uhr
bis 24.3. in der
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