Ich liebe Comics!“ Als ich eines Abends diesen Satz im Beisein meiner deutschen Freunde ausrief, waren sie ziemlich baff. Ihr zunächst amüsierter Blick verfinsterte sich und ließ nur erahnen, was sie dachten: „Wie kann jemand Kultiviertes wie du seine Zeit mit solch alberner Lektüre vergeuden?!“ Ihre Reaktion verdutzte mich. „Wie kann man bloß auf diese Kunstform verzichten?!“, fragte ich mich wiederum, während mir all die bunten Hefte durch den Kopf gingen, die meine Jugend, aber auch mein Erwachsenenleben prägten. Für meine Freunde hierzulande schienen Comics – bis auf einige Asterix- und Micky-Maus-Hefte, die ihnen wohl in der Kindheit zufällig in die Hände gefallen waren – unbekanntes Terrain zu sein. Dies verstand ich erst, als ich einen deutschen Comicladen betrat. Ich kam mir vor, als wäre ich auf einen Geheimbund gestoßen: Dort herrschte absolute Stille. Kunden wie Verkäufer – die meisten davon Männer in dunklen T-Shirts – schienen eine Art Nerd-Meeting abzuhalten. In Frankreich dagegen ist der Erwerb von Comics so banal und gängig wie der Kauf eines Baguettes. Sie werden quer durch alle Generationen und soziale Schichten gelesen und finden sich überall: in Buchhandlungen, Bibliotheken und Supermärkten, aber auch in Appartements der Bourgeoisie.
In Deutschland hätte diese Literaturform durchaus früh Erfolge feiern können. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts gab es große deutsche Zeichner, etwa Wilhelm Busch, den „Urvater des Comics“. Oder Rudolph Dirks, den Erfinder von „Die Katzenjammer Kids“, einem der ältesten Comicstrips der Welt. Auch die 1930er Jahre hatten Potenzial, zum Beispiel mit dem Kultcomic „Vater und Sohn“ des Karikaturisten Erich Ohser alias e. o. plauen. Doch die Nazis hielten diese Entwicklung auf. Ohser wurde zum Schweigen gebracht und kam seiner Hinrichtung durch Selbstmord zuvor.
Obwohl die Branche endlich auch hier populärer wird, denke ich nicht, dass einer meiner Freunde den Comic-Salon Erlangen kennt, das wichtigste Festival für grafische Literatur im deutschsprachigen Raum.
Abgesehen davon, dass ich immer noch darauf warte, dass mir einer von ihnen endlich einen Comicband schenkt.
Die Autorin lebt seit 2003 in Berlin und arbeitet als freie Journalistin.