Gefühltes Wissen

Esoterik-Mythen und spirituelle Strömungen kollidieren häufig mit der Wissenschaft, besagt eine aktuelle Studie. Gilt das auch für das moderne Druidentum?

Druiden, Spiritualität, Priester, Kelten
Der Begriff „Esoterik“ stammt aus dem Altgriechischen und bedeutet so viel wie: geheimes Wissen. Insofern zählen die mächtigen Druiden der Kelten zu den Urvätern aller heutigen Esoteriker. Foto: Thurston Hopkins / Picture Post / Hulton Archive / Getty Images

Die mächtigste Waffe der keltischen Druiden war ihr Geheimwissen. Miraculix’ Zaubertrank ist ein gelungenes Sinnbild dafür. Nur sie, die Eingeweihten, waren befähigt, zu heilen, die Sterne zu deuten, große Bauwerke zu planen und das Übernatürliche, sprich die Götter, zu spüren und wenn nötig mit Opfergaben zu besänftigen. Obwohl das Druidentum jahrhundertelang großen Einfluss auf die europäischen Kulturen hatte, wie eine ARTE-­Dokumentation im Juni zeigt, gibt es kaum schriftliche Hinterlassenschaften davon. Heute mangelt es hingegen nicht an Literatur zu den mutmaßlichen Riten und Gebräuchen der Kelten und ihrer Priester. Wer sich im weiten Feld der Esoterik für Pflanzenkunde, alternative Heilmethoden, Bewusstseinserweiterung oder spirituelle Sinnsuche außerhalb von Religionen interessiert, landet früher oder später beim Druidentum.

Doch welche Esoterik-Mythen lassen sich wissenschaftlich belegen und was entspringt nur der Fantasie der Menschen? Eine Frage, die im Zuge der Corona-Pandemie gesellschaftlichen Zündstoff offenbart. Denn wer der wissenschaftlichen Evidenz grundsätzlich misstraut oder eine alternative Auslegung von Fakten pflegt, sympathisiert schnell mit der mittlerweile vom Verfassungsschutz beobachteten Querdenker-­Szene. Auffallend viele selbsterklärte Neo-Hippies, New-Age-­Anhänger und erleuchtete Life-­Coaches protestierten ab dem Sommer 2020 lautstark gegen die von der Mehrheit der Wissenschaftler empfohlenen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie. Nicht alle, aber viele von ihnen beriefen sich auf alternative Fakten und verklärten Verschwörungstheorien zu einer abstrusen Form von Geheimwissen.

Dass das „intuitive Wissen“ im Fall der Esoterik besonders stark mit wissenschaftlichen Aussagen kollidiert, hat eine im Mai veröffentlichte Studie an der Universität Amsterdam bestätigt. Knapp 6.000 Menschen aus 24 Ländern wurden dafür befragt. Insgesamt zeigte sich dabei, schreiben Forscher um den Psychologen ­Bastiaan ­Rutjens, dass Spiritualität unter den analysierten Glaubenssystemen und Ideologien der wichtigste Faktor für eine allgemeine Ablehnung der Wissenschaft sei. „Der Covid-19-Skeptizismus weist Gemeinsamkeiten mit anderen bekannten Formen der Wissenschaftsleugnung auf, wobei die Parallelen zum Klimawandelskeptizismus und zum Impfstoffskeptizismus von besonderem Interesse sind.“

Ausgerechnet ein Mann, den seine Fans liebevoll einen „Druiden, wie er im Buche steht“ nennen und der sich in seiner Publikation „Die Pflanzen der Kelten“ ausführlich dem Druidentum widmet, bestätigt die in der Studie getroffenen Aussagen: Wolf-­Dieter Storl. Der im Allgäu lebende Ethnobotaniker und erfolgreiche Buchautor positioniert sich immer wieder reichweitenstark gegen den wissenschaftlichen Konsens. ­Covid-19? Ließe sich mit „frischer Luft, Sonnenschein, Bewegung, dem Essen von frischem Gemüse und ­Vitamin-C-haltigem Obst von sich weisen“, wie er in einem Facebook-­Post verlauten lässt. Der anthropogene, also von Menschen verursachte Treibhauseffekt? Sei halb so wild, denn Pflanzen liebten CO₂, das „Gas des Lebens“, sagt Storl im Interview mit einem prominenten Verschwörungstheoretiker.

Die Druiden: Mächtige Priester der Kelten

Geschichtsdoku

Samstag, 12.6. — 20.15 Uhr
bis 9.10. in der Mediathek

Druide, Porträt, Kelte, Priester
Foto: Rolf Brenner

Kontrafaktisch und im Selbstwiderspruch
Der Ethnologe und Journalist Felix Riedel hat sich im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben“ mit Storls wachsendem Einfluss in der Esoterik-Szene auseinandergesetzt – und übt scharfe Kritik: „Wie die Analyse seiner Schriften und Vorträge zeigt, sucht und findet Storl explizit den Anschluss an rechte Verschwörungspropaganda, die er wiederholt, umarbeitet und mit eigenen Ideen anreichert. Dabei entwirft er keine konsistente, kritisierbare Theorie, sondern schreibt kontrafaktisch und häufig in offenem Selbstwiderspruch, um das propagandistische Ziel einer Dämonisierung von Biomedizin und Technik zu erreichen.“

Im Gespräch mit dem ARTE Magazin reagiert Storl ausweichend auf die Vorwürfe. Umso deutlicher grenzt sich die Sprecherin des größten Verbands für modernes Druidentum von jeglicher Form der Wissenschaftsleugnung ab: „Wir sind eine spirituelle Gemeinschaft mit starkem Naturbezug und vertrauen in grundsätzlichen Fragen wie dem Klimawandel wissenschaftlichen Studien. Radikale und dogmatische Ansichten, egal ob von Querdenkern oder Rechtsradikalen, haben bei uns nichts zu suchen“, betont ­Bettina Schmidt vom Orden der Barden, Ovaten und Druiden, der im deutschsprachigen Raum rund 3.000 Mitglieder, weltweit rund 20.000 Mitglieder zählt. Das gängige Bild von „alten Männern mit weißen Bärten“ sei für das moderne Druidentum ohnehin längst nicht mehr repräsentativ. „Gut die Hälfte unserer Mitglieder ist weiblich – und wir sind explizit nicht daran interessiert, einem Geheimbund anzugehören.“

Druiden waren unmittelbar eingebettet in ihre Umwelt

Wolf-Dieter Storl, Ethnobotaniker