»Geheimdienste bleiben im Schatten«

In seinem Thriller erzählt der Regisseur Philipp Leinemann die Geschichte eines Agenten des BND, der beginnt, an den Methoden seines Arbeitgebers zu zweifeln. Ein Gespräch.

Philipp Leinemann, Regisseur, Film, BND
Geheime Machenschaften: Beim Versuch, die korrupten Vorgehensweisen einiger BND-Mitarbeiter aufzudecken, wird Agent Martin Behrens (Ronald Zehrfeld) in Afghanistan schwer verletzt. Was haben seine Vorgesetzten ­Aline ­Schilling (Claudia Michelsen) und ­Joachim ­Rauhweiler (Axel Prahl) zu verbergen? Foto: Bernd Schuller / ZDF

Schon auf der Filmhochschule schmiedete ­Philipp ­Leinemann den Plan, einen Agenten-Thriller zu drehen. Das ist knapp zehn Jahre her. „Damals wussten die Leute noch nicht einmal, was Drohnen sind“, sagt der 42-jährige Regisseur heute. In seinem Film „Das Ende der Wahrheit“ thematisiert ­Leinemann die Arbeit des Bundesnachrichtendienstes (BND) aus Sicht des fiktiven Agenten Martin Behrens. Der stößt auf dubiose Machenschaften seines Arbeitgebers, nachdem seine Freundin bei einem Anschlag getötet wurde.

arte magazin Herr Leinemann, wie unterscheiden Sie persönlich zwischen einem Krimi und einem Thriller?
Philipp Leinemann  Für mich geht es beim Krimi eher darum, einen Fall beziehungsweise einen Mord zu lösen. Die Ermittler sind in der Regel von der Polizei. Beim Thriller spielt die Cineastik und die menschliche Natur hinter den Verbrechen eine viel größere Rolle. Dadurch kann sich ein Thriller mehr Überhöhung erlauben. „Das Schweigen der Lämmer“ oder „Purpurne Flüsse“ sind gute Beispiele für dieses Genre – wegen der gewählten Filmsprache, der Inszenierung und der Ästhetik.

Das Ende der Wahrheit

Thriller

Donnerstag, 3.6. — 21.45 Uhr
bis 3.6. in der Mediathek

Philipp Leinemann, Regisseur, Thriller, BND
Foto: Bernd Schuller / ZDF

arte magazin In Ihrem Debütfilm „Wir waren Könige“ (2014) ging es bereits um Korruption und Machtmissbrauch bei der Spezialeinheit SEK. In „Das Ende der Wahrheit“ thematisieren Sie nun bedenkliche Vorgehensweisen des BND. Warum eignen sich diese staatlichen Institutionen so gut für Thriller?
Philipp Leinemann Mit meinen Filmen möchte ich die Menschen in eine Welt ziehen, die sie noch nicht kennen. Sowohl das SEK wie auch der BND sind für die meisten abgeschottete Welten. Ich habe eine Idee und recherchiere, bis ich das Gefühl habe, einen Mehrwert liefern zu können. Einige Motive bei „Wir waren Könige“ waren ein exakter Nachbau des SEK. Viele Zuschauer empfanden das als unrealistisch, sie hatten die Polizeiwelt eines Tatorts im Kopf. In echt gibt es aber nicht einmal den so gern benutzten Verhörraum. Durch Freunde in diversen Spezialeinheiten hatte ich direkten Zugang. Am spannendsten waren die Strukturen, die Kodexe und persönlichen Perspektiven auf den Job. Das half mir, meine Geschichte mit Leben zu füllen. Beim BND war die Recherche etwas komplizierter.

arte magazin Haben Sie dort keine Freunde?
Philipp Leinemann  Nein. Und Geheimdienste bleiben einfach immer im Schatten. Obwohl der BND ja offiziell ein Nachrichtendienst und kein Geheimdienst ist. Ich habe Hunderte Bücher über Nachrichtendienste, Nahostpolitik und internationale Diplomatie gelesen. Zudem gibt es Aussteiger, die Bücher geschrieben haben. Und ich hatte die Chance, jemanden aus dem Dienst zu treffen.

arte magazin Hatten Sie Angst, selbst beschattet zu werden?
Philipp Leinemann  Da bin ich gutgläubig, also nein. Obwohl der BND wohl nicht sehr erfreut war über den Film. Ich neige nicht zu Paranoia, aber jemand riet mir damals, eine E-Mail an mich selbst zu schreiben, in der ich der CIA, dem BND und anderen erklärte, dass ich nur ein recherchierender Filme­macher bin und sie mich bitte nicht in die falsche Schublade stecken sollen. Das tat ich dann auch.

Der BND war nicht sehr erfreut über meinen Film

Philipp Leinemann, Regisseur
Philipp Leinemann, Interview, Regisseur, BND, Thriller
Foto: Bernd Schuller / ZDF

arte magazin Also war Ihnen doch nicht ganz wohl bei der Sache?
Philipp Leinemann  Na ja, in erster Linie ist es der Job des BND, Informationen auszuwerten und sie der Regierung vorzulegen. Keine Leute verschleppen, keine Komplotte, keine Morde. In diese Richtung haben sich die CIA oder der Mossad entwickelt. Der ehemalige BND-­Präsident August Hanning sagte einmal: „Wir sind die Vegetarier unter den Geheimdiensten“.

arte magazin In Ihrem Film kommt der BND dennoch nicht gut weg – korrupte Mitarbeiter, unmo­ralische Vorgehensweisen, Skrupellosigkeit. Was wollten Sie dem Zuschauer zeigen?
Philipp Leinemann  Im Grunde genommen ist der BND selbst ein Spielball. Es ging mir nicht um die Organisation an sich, sondern um die Privatwirtschaft und die Gefahr, was passiert, wenn unsere Hoheitsaufgaben privatisiert werden. Es gibt immer wieder Geschichten, in denen Minister in Vorständen von privaten Konzernen landen und vorher in ihrer politischen Laufbahn Gesetze in deren Sinne geschrieben haben. Daran verzweifelt der Protagonist im Film und kämpft gegen Windmühlen.

arte magazin Ihr Protagonist wird, wie schon bei „Wir waren Könige“, von Ronald Zehrfeld gespielt. Warum passt er auch hier so gut?
Philipp Leinemann  Die Figur ist ein Antiheld. ­Martin ­Behrens ist kein moralischer Mensch und strahlt dennoch in gewissen Momenten Wärme und Schmerz aus. ­Ronald ­Zehrfeld schafft es, genau diesen Zwiespalt darzustellen. Etwas in ihm gibt mir einen Zugang zu seiner Seele. Er hat Tiefe. Blickt man in seine Augen, glaubt man ihm, dass er all diese Dinge erlebt hat.