Die Fernseh- und Filmbranche erlebt eine grüne Zeitenwende. Ob Dokumentation oder abendfüllendes Drama: Künftig zählt bei Produktionen auch, wie groß ihr ökologischer Fußabdruck ist. Schon vor Jahren haben sich Sender, Produktionsfirmen und andere Akteure zum Arbeitskreis „Green Shooting“ zusammengeschlossen. Der rief bei der Berlinale 2020 die Nachhaltigkeitsinitiative „100 grüne Produktionen“ ins Leben. Das Ziel: In allen Herstellungsphasen durch messbar reduzierte Kohlendioxid-Emissionen die Umwelt- und Klimafolgen so gering wie möglich halten. Der von der Initiative erstellte Kriterienkatalog reicht dabei vom Reise-management bis zum Verzicht auf Einwegbatterien.
Eine der grünen Produktionen, die auf diese Weise bereits ressourcenschonend verwirklicht wurden, ist die „GEO Reportage Italien – Die Igel-Retter aus dem Piemont“ – für Auftraggeber ARTE ein beispielgebendes Pilotprojekt. Im Fokus steht die Arbeit des Veterinärs Massimo Vacchetta. Mithilfe eines fünfköpfigen Teams und ehrenamtlicher Helfer versorgt der Igel-Doktor verletzte Stacheltiere, die überwiegend Opfer von Unfällen geworden sind – etwa mit Autos, Heckenscheren oder Mährobotern. Seine Klinik, die in einer alten Villa hoch oben in den Weinbergen des Piemont thront, ist einzigartig in Italien.
Der Berliner Produzent Theo Baltz musste zu dieser ersten grünen Produktion nicht lange überredet werden. Sein Unternehmen Medienkontor erstellt für ARTE seit vielen Jahren GEO Reportagen. „Dabei beschäftigen wir uns oft mit Themen rund um Klima-, Natur- und Artenschutz“, sagt Baltz im Gespräch mit dem ARTE Magazin. Nachhaltigkeit sei für ihn sehr wichtig. „Bei uns im Team sind alle überzeugt, dass wir hier handeln müssen“, so Baltz. Die Autoren- und Produktionscrew hatte vor den dreiwöchigen Dreharbeiten für die Igel-Retter-Reportage im Piemont viele Fragen zu klären. Etwa: Muss man fliegen oder kann das Team per Auto oder sogar mit der Bahn reisen? Übernachten alle im Apartment statt im Hotel? Viele andere Punkte beim Außeneinsatz in Italien, aber auch in den Berliner Büros der Produktionsfirma, mussten berücksichtigt werden, damit alle Zeichen auf Grün stehen: vom Verzicht auf Plastikgeschirr und -flaschen über Mülltrennung bis hin zum Öko-Stromvertrag. Für Theo Baltz geht es vor allem darum, „zu optimieren und zu sensibilisieren, damit man auch im Kleinen weniger CO₂-Ausstoß erzeugt“.
Die Produzenten von Dokumentationen, aber auch von Serien und Filmen werden mit der Planung und Umsetzung für mehr Klimaschutz nicht allein gelassen. Jede grüne Produktion wird verpflichtend von einem Green Consultant beraten und begleitet. Im Fall der GEO Reportage war das Birgit Gabriel, bei ARTE in Straßburg verantwortlich für das Thema Corporate Social Responsibility und als Green Consultant zertifiziert. Ihre vorläufige Bilanz fällt positiv aus: In Summe halbieren die vergleichsweise kleinen Öko-Schritte den CO₂-Fußabdruck der Reportage annähernd. Nur 2,3 statt vier Tonnen des Treibhausgases seien bei der Herstellung erzeugt worden. Zum Vergleich: Ein erwachsener Mensch verursacht im Jahr 12 bis 14 Tonnen Kohlendioxid-Emissionen. In Kürze erwartet Birgit Gabriel die wissenschaftliche Auswertung, die das Freiburger Öko-Institut bei jeder der „100 grünen Produktionen“ Jahr vornimmt. Die Ergebnisse sollen auch in die Festlegung künftiger Nachhaltigkeitsstandards einfließen.
Fördergeld für Grüne Projekte
Fest steht: Inhaltliche Abstriche sollen durch die neuen Öko-Kriterien nicht gemacht werden. Es werde beispielsweise auch weiterhin GEO Reportagen aus aller Welt geben, bloß dass dafür künftig umweltfreundlichere Transportwege gewählt werden, so die ARTE-Expertin. Außerdem könne darauf geachtet werden, bei einer Reise gleich für mehrere Beiträge in einem Land oder einer Weltregion zu drehen. Perspektivisch werde das grüne Know-how in die Produktionsunternehmen hineinwachsen, erwartet Birgit Gabriel. Letztlich sollen sich die Green Consultants selbst abschaffen.
Die Relevanz des Themas grüne Produktionen zeigt sich auch bei der Novellierung des Filmförderungsgesetzes. Der Entwurf der Bundesregierung sieht vor, dass ab 2022 nur noch Geld an solche Projekte fließt, bei deren Herstellung auf ökologische Nachhaltigkeit geachtet wird. Sender und viele Produktionsfirmen stehen hinter den neuen Standards. Pionier Theo Baltz ist sicher, dass die ersten Beispiele rasch Schule machen und sich Mitstreiter finden werden. Sein Credo: „Wir wollen Denkanstöße geben und anderen zeigen, was möglich ist. Alle müssen an einem Strang ziehen, damit die Klimakatastrophe, die auf uns zurollt, doch noch aufgehalten
werden kann.“