Gab es eine Art Feminismus im Absolutismus? Wenn man das Finale von Robert Dornhelms biografischer Filmreihe über Maria Theresia gesehen hat, kann man sagen: eindeutig ja. Was diese Frau an weiblicher Macht in Szene setzt, das müsste selbst Spitzenpolitikerinnen wie Angela Merkel und Annalena Baerbock beeindrucken. Stellt sich an die Spitze des österreichisch-ungarischen Reichs. Regelt die Regierungsgeschäfte für ihren besonnenen, aber politisch nachgiebigen Ehemann. Setzt an breiter Front Reformen durch, von Neuerungen im Wirtschafts- und Finanzbereich bis hin zur Modernisierung des Militärs, der Bildungs- und der Außenpolitik.
Hier wird es spannend: Unter der Regie von Dornhelm wird Maria Theresia eine Strategin, die weiß, dass man für die Sicherung territorialer Ansprüche und vor allem für Kriege viel Geld braucht. Und Geld lässt sich am besten über Allianzen erwirtschaften. Deshalb perfektioniert sie die lange erprobte habsburgische Heiratspolitik.Ein diplomatisches Tool, mit dem die Landkarte nach Interessenlagen neu eingeteilt werden kann. Ganz im Sinne Habsburgs, versteht sich.
Kinder als Politik-Ressource
Ursula Strauss spielt Maria Theresia als strenge, nüchterne Herrscherin, die Töchter und Söhne gewinnbringend auf dem internationalen Politparkett einsetzt. Das wissen die Kinder von Anfang an. Zu sehen an den Tischszenen, wenn die Kaiserin und ihr Ehemann Franz Stephan (Vojtěch Kotek) den Kleinen eröffnen, für welchen europäischen Hof sie als Habsburg-Ressource vorgesehen sind. Entsprechend fällt auch das Bildungsprogramm der Töchter und Söhne aus. Wenn das Ziel ein „Block aus Allianzen“ (Maria Theresia) mit Frankreich, Spanien, Schweden und Russland ist, dann müssen die Kinder eben Französisch, Spanisch und Russisch lernen. Klavierunterricht und Ballett sowieso. Die Jungs jagen selbstredend – und bei Volljährigkeit besuchen sie mit dem Vater ein Bordell. Wer standesgemäße Erben zeugen soll, braucht schließlich das passende Know-how.
Vor allem Maria Antonia ist eine wichtige Größe in -Maria -Theresias Machtformel. Aus ihr soll die spätere Marie Antoinette werden, die Frau von Ludwig XVI. -Der aufgeklärte Absolutismus der Kaiserin schielt bei aller Modernität doch neidisch nach Versailles, wo der Hof eine hübsche Kulisse für die Allmachtsansprüche seines Herrschers ist. Der Drill der kleinen Maria Antonia, die schon als Zehnjährige von der Mutter nur noch Marie Antoinette genannt wird und bei Tisch, anders als ihre Geschwister, ausschließlich französische Küche serviert bekommt (Froschschenkel!), ist einer der inszenatorischen Höhepunkte des Films. In einer Szene schreitet Marie Antoinette etwa prächtig herausgeputzt mit Schoßhündchen auf dem Arm zur Tafel, ihre Geschwister werden dabei zur staunenden Entourage degradiert. Robert Dornhelms Regie legt viel Wert auf Zeitbezüge zu unserer modernen, von Frauenfragen und Genderpolitik bestimmten Gegenwart. So liegt der Grundkonflikt zwischen Maria Theresia und ihrem Mann in Erziehungsfragen. „Manche Kinder sind für den Heiratsmarkt weniger wertvoll“, sagt Maria Theresia kaltschnäuzig, und ihr Gatte, ganz prämoderner Erzieher und Vater, entgegnet: „Mir war nicht bewusst, dass ich auch weniger wertvolle Kinder gezeugt habe.“
Doch, hat er. Die zweite Garde des heiratsfähigen Nachwuchses soll zum Beispiel an Italien veräußert werden. Ein weiterer Konflikt ist Maria Theresias Beziehung zu ihrem Sohn Joseph (Aaron Friesz). Der will mehr Reformen, ist überhaupt ein Stürmer und Dränger, verglichen mit seiner kühl agierenden Mutter. Joseph will unter anderem die Leibeigenschaft abschaffen – die Mutter weiß: „Wir bringen den Adel gegen uns auf.“ So steht der Sohn lange im Schatten der übermächtigen Mutter, deren Angst vor einem immer aggressiver auftretenden Preußen in politischen Starrsinn umzuschlagen droht. „Erinnert mich: Warum habe ich mich entschieden, Söhne zu bekommen?“, fragt Maria Theresia ihren Mann. Die Frage ist rhetorisch, die Antwort: weil in der Erbfolge ein künftiger Potentat hervorgebracht werden muss. Joseph wird später dann auch so ein mächtiger Großkönig sein. Aber ohne den Drill, das Kalkül und das enorme strategische Talent seiner Mutter – das begreift man mit diesem Film – wäre er es nie geworden.