HOCH ZU ROSS

RODEO Schwarze Cowgirls mischen die Westernkultur auf, die bisher von weißen Männern geprägt wurde. Sie fordern ihren Platz in der Geschichte der USA.

Fotos: Gabriela Hasbun

Marlboro Man, Lucky Luke oder John Wayne: Die meisten Menschen denken bei Cowboys an weiße Männer. Dabei waren Mitte des 19. Jahrhunderts Volkszählungen zufolge etwa 20 Prozent aller Cowboys Afroamerikaner. Denn Rinderhirt wurde, wer im Amerika jener Zeit keine anderen Möglichkeiten hatte, Geld zu verdienen. Cowboys kümmerten sich um die Herden und begleiteten sie und ihre Besitzer nach Westen. Sie schützten die Tiere vor Räubern, halfen, Flussläufe und Berge zu überqueren, und fingen verirrte Tiere ein.
Als gegen Ende des 19. Jahrhunderts die meisten Farmer sesshaft wurden, brauchte man Cowboys immer seltener. Also begannen diese, ihre Fähigkeiten anderswo zu Geld zu machen. Zum Beispiel in Wild-West-Shows und bei Rodeos, wo sie waghalsige Stunts vorführten, um das Publikum zu begeistern. Die Shows romantisierten das Bild vom Cowboy als archetypischem weißen Mann, der gegen die „wilden Indianer“ kämpft und die „guten Siedler“ beschützt. Für schwarze Cowboys war kein Platz in dieser Erzählung und deshalb auch nicht im Rampenlicht.
Für schwarze Cowgirls erst recht nicht. Viele Amerikaner wissen bis heute nicht, dass es sie gibt. Dabei boomt die schwarze Rodeo-Kultur, wie die ARTE-Dokumentation „Cowgirls in Colorado“ zeigt. Der Film begleitet die Schwestern und Rodeostars Aleeyah und Savannah Roberts auf dem Weg zum für sie wichtigsten Wettkampf des Jahres: zum Bill Pickett Invitational Rodeo. Der Name Bill Pickett (1870–1932) steht stellvertretend für die lang vergessene schwarze Cowboy-Kultur: Der Wild- West-Show-Performer gilt als Erfinder des „Bulldogging“, einer Disziplin, die bis heute beim Rodeo in abgewandelter Form praktiziert wird. Warum ihn trotzdem lange Zeit niemand kannte? „Er war ein schwarzer Mann in Amerika. Muss ich noch mehr sagen?“, erwidert Valeria Howard- Cunningham. Die Afroamerikanerin organisiert seit 36 Jahren das nach ihm benannte Rodeo, die einzige afroamerikanische Rodeo-Tour der USA.

Cowgirls in Colorado

Gesellschaftsdoku

Samstag, 12.9. • 19.30 Uhr
bis 10.12. in der Mediathek

Eine Rodeo-Heimat für Afroamerikaner
Die Idee hatte Howard-Cunninghams inzwischen verstorbener Mann Lu Vason, als er bei einem Rodeo-Besuch feststellte, dass kaum Afroamerikaner unter den Teilnehmenden waren. Kurzerhand gründete er eine eigene Veranstaltung – exklusiv für Afroamerikaner. „Bis ins 20. Jahrhundert hinein war es so, dass schwarze Cowboys warten mussten, bis die Rodeoshow vorbei war“, erklärt sie. „Erst, wenn das Publikum die Arena verlassen hatte, durften sie reiten.“ Heute läuft es anders. Selbstverständlich dürfen afroamerikanische Cowboys und -girls an Rodeos teilnehmen. Diskriminierung erfahren sie aber trotzdem, wie Howard-Cunningham beschreibt. „Vor allem bei Mädchen wie Aleeyah und Savannah, die einen schwarzen und einen weißen Elternteil haben, tuscheln die Leute: Wer sind die denn? Was bilden die sich ein? Schau sie dir an!“ Das Bill Pickett Invitational Rodeo soll eine Art Zuhause für sie sein, ein sicherer Ort in der Rodeo-Kultur, an dem sie ohne Angst vor Beleidigung und Ausgrenzung ihren Sport praktizieren können. Das ist gerade für schwarze Cowgirls wichtig, die oft doppelt diskriminiert werden: als Frauen und als Afroamerikanerinnen. Beim Bill Pickett Invitational Rodeo können sie sich stolz präsentieren. Aus der kleinen Veranstaltung ist im Lauf der Jahre eine Institution geworden: Die Shows sind ausverkauft. Vor allem die Auftaktshow in Denver am Martin Luther King Day ist beliebt.

1984, beim ersten von Lu Vason organisierten Rodeo, waren nur wenige Frauen angetreten. Inzwischen nehmen Dutzende Cowgirls an den Wettkämpfen teil. Sechs Disziplinen gibt es beim Rodeo, zwei werden von Frauen absolviert. Beim „steer undecorating“ muss die Reiterin vom Pferd aus einem jungen Stier eine Schleife abnehmen. Beim „barrel racing“ versucht sie, das Pferd möglichst schnell durch einen Parcours aus Tonnen zu jagen. „Dieser Sport braucht Leidenschaft und Hingabe“, meint Howard-Cunningham. Und Geld. Das Pferdefutter, die Tierarztkosten, die Ställe, die Anfahrten zu den Rodeos – alles muss bezahlt werden. Bei den Wettbewerben geht es deswegen nicht nur um den Ruhm, sondern auch um das Preisgeld. Familien wie die von Aleeyah und Savannah sind darauf angewiesen: Sie besitzen zwar eine Ranch, aber keine Reichtümer. Nur mit den Gewinnen können sie die Pferde und den Sport finanzieren.
Natürlich ist darum die Siegerehrung für viele der Höhepunkt des Rodeos. Für Howard- Cunninghamaber ist es die Eröffnung: „Alle stehen mit den Pferden in der Arena. Ein wunderschönes schwarzes Cowgirl reitet mit der US-amerikanischen Flagge ein und wir alle singen ,America the Beautiful‘. Dann reitet ein zweites, genauso schönes schwarzes Cowgirl in die Arena. Es trägt die afroamerikanische Flagge und wir singen ,Lift Every Voice and Sing‘, die schwarze Nationalhymne. Da bekomme ich jedes Mal Gänsehaut.“

Dieser Sport braucht Hingabe und Leidenschaft