Hollywood im Blut

Jodie Foster ist im Filmgeschäft groß geworden – und stets unabhängig geblieben. ARTE widmet ihr ein Porträt und zeigt sie im Drama „Sommersby“.

Jodie Foster, Hollywood, Schauspielerin, Kino
Foto: Richard Phibbs/Trunk Archive

Als Jodie Foster in der Nacht zum ersten März mit einem Golden Globe für ihre Rolle in Kevin Macdonalds „The Mauritanian“ geehrt wurde, nahm sie die Botschaft per Video-Schalte entgegen – barfuß auf dem Sofa und im Pyjama. Neben ihr sitzend: ihre Frau Alexandra Hedison, ebenfalls im Schlafanzug, und ihr Hund. Strahlend bezeichnete Foster die Verleihung als die beste ihres Lebens. Sie komme ihr angesichts des außergewöhnlichen Rahmens in diesem Pandemiejahr wie eine einzige Pyjamaparty vor. Die Schauspielerin, die in Macdonalds Thriller als Anwältin Nancy Hollander einen Guantanamo-Häftling verteidigt, wurde als beste Nebendarstellerin geehrt. In ihrer Dankesrede erwähnte sie etwas, das ihr lässiges Outfit gut erklärt: Die Hollywood Foreign Press Association (HFPA), die die Globes vergebe, sei für sie wie Familie. Sie kenne sie seit ihrer Kindheit.

Tächlich ist Jodie Fosters Leben so sehr von Hollywood geprägt wie das von wenigen anderen Schauspielerinnen ihrer Generation. Bereits im Alter von drei Jahren begann ihr beeindruckender Werdegang, wie das ARTE-Porträt „Jodie Foster – Die Alleskönnerin“ zeigt. An ein Leben vor dem Schauspiel könne sie sich nicht erinnern, sagte sie einst. Geboren wurde Foster 1962 in Los Angeles als Alicia ­Christian Foster, ihre Mutter Evelyn arbeitete zu dieser Zeit als Presseagentin in Hollywood. Sie sah die Chance, ihre Kinder ins Filmgeschäft zu holen, und so trat ihre Tochter Jodie bereits als Kleinkind vor die Kamera. Anfangs für Werbespots, später fürs Fernsehen. Mit „Flucht in die Wildnis“ erlebte Foster 1972 an der Seite von ­Michael ­Douglas ein turbulentes Kinodebüt: Bei den Dreharbeiten wurde die damals Zehnjährige von einem Löwen attackiert, was ihr bleibende Narben einbrachte.

Dass ­Foster Vorfälle wie diese wegsteckte und selbst in den schwierigen Teenagerjahren nicht an der Härte des Filmgeschäfts zerbrach, hatte verschiedene Gründe. Zum einen stach sie schon in jungen Jahren durch ihre Professionalität heraus. Zum anderen wurde sie zu einer Zeit erwachsen, in der auch Hollywood seine Reifephase durchlebte und die Bürgerrechtsbewegung sozialpolitische Umbrüche einforderte. Sie schwärmte noch Jahre später vom liberalen Umfeld der 1960er und 70er, dem auch ihre Mutter angehörte. Diese lebte nicht nur mit einer Frau zusammen, sondern ermutigte ihre Tochter, sich im männerdominierten Milieu zu behaupten.

Ihren Durchbruch feierte Foster dann auch mit einem zum Klassiker avancierten New-Hollywood-Film. In ­Martin ­Scorseses „Taxi Driver“ (1976) spielte sie an der Seite von ­Robert De Niro alias Travis Bickle vor der Kulisse eines abgründigen New York die abgeklärte Kinderprostituierte Iris. Die Gewaltexzesse des schlaflosen Vietnamveteranen Travis sowie der Anblick der zu Drehbeginn erst Zwölfjährigen in engen Shorts, knappem Top und roten Plateauschuhen brachten dem Film ebenso viele Diskussionen wie Preise ein, darunter die Goldene Palme in Cannes. Foster drehte in den darauffolgenden Jahren mehr Filme als die meisten ihrer Kolleginnen und Kollegen und hörte mit der Schauspielerei auch nicht auf, als sie von 1980 bis 1985 ein Studium der afroamerikanischen Literatur in Yale absolvierte. In dieser Zeit arbeitete sie in Paris mit dem Nouvelle-Vague-Regisseur Claude Chabrol zusammen. Für die einstige Musterschülerin des Lycée Français von L. A., die akzentfrei Französisch spricht, eine bedeutende Erfahrung.

Sommersby

Drama

Sonntag, 13.6. – 20.15 Uhr

Jodie Foster – Hollywoods Alleskönnerin

Porträt

Sonntag, 13.6. — 22.05 Uhr
bis 11.8. in der Mediathek

Eine neue Art Heldin
Gekrönt wurde Jodie Fosters Karriere mit zwei Oscars: Den ersten erhielt sie für Jonathan Kaplans aufwühlendes Drama „Angeklagt“ (1988), in dem sie ein Vergewaltigungsopfer spielt, das Gerechtigkeit verlangt, ihren zweiten für die Hauptrolle in Jonathan Demmes „Schweigen der Lämmer“ (1991). Darin ermittelt Foster als angehende FBI-Agentin Clarice Starling, die auf die Hilfe des genial-diabolischen Kannibalen Hannibal Lecter angewiesen ist, um den Serienmörder Buffalo Bill zu fassen. Es sei eine Geschichte über eine junge Frau, die dafür kämpfe, das Leben einer anderen jungen Frau zu retten, fasste ­Foster ihre Perspektive auf den Film zusammen. Ihr Ziel sei gewesen, eine neue Art von weiblicher Heldin zu schaffen. „Ich glaube, dass die Menschen, die innerhalb des Systems sind, die Verantwortung dafür tragen, es zu ändern.“ Auf ihre Weise ist dies dem Multitalent gelungen. Foster produziert und steht zugleich vor wie hinter der Kamera wie erstmalig bei „Das Wunderkind Tate“ (1991), spielt in Charakterstudien, Action- und Science-Fiction-Filmen.

Nur eines kann sie offenbar nicht: sich Vorschriften machen lassen. Über Jahrzehnte im Showbusiness gelang es Jodie Foster, ihre Unabhängigkeit zu bewahren. Sie ließ sich beispielsweise nie zu einem öffentlichen Outing drängen, sondern entschied selbst, erstmalig bei den Golden Globes 2013 ihre Homosexualität vor großem Publikum anzusprechen. Ihr Privatleben sei ihr heilig, erklärte sie. Auch ein Auftritt im Pyjama ändert daran nicht

Menschen innerhalb eines Systems tragen die Verantwortung, es zu verändern

Jodie Foster, Schauspielerin