Nicht, dass 1982 ein besonders friedliches Jahr gewesen wäre. Krieg im Libanon und auf den Falkland-Inseln, Attentate und Mafia-Morde, politische Unruhen von Kamerun bis Polen. Und doch schien es, als wollte die Welt in diesem Jahr ein wenig Atem holen und als hätte der technische Fortschritt seine Richtung gewechselt: Statt der großen Aufbruchstimmung hinaus in den Weltraum oder hin zu einer neuen Weltordnung ging es mit der Computerisierung hinein in die Gesellschaft und die Subjekte. Kein neues Land war in Sicht, dafür wurde alles perfekter, schneller, globaler. Allen voran in den Traumfabriken. Hollywood zum Beispiel konnte nicht nur größere Budgets, mehr Stars, mehr Effekte aufweisen, es erlebte 1982 auch einen eigentümlichen Umgang damit: Es zählte nicht allein, was man auf die Leinwand bringen konnte, sondern vor allem das, was man auf der Leinwand spektakulär zerstören konnte.
Es war das Jahr, in dem das Konzept der Blockbuster aufzugehen schien – Filme, die nicht unbedingt einem bestimmten Genre angehörten, sondern mit Schau- und Schockwerten für sich standen und für die die Beschreibung „sensationell“ eine Untertreibung war.
Steven Spielberg gelang 1982 gleich ein Doppelerfolg: mit „E.T.“, dem Film vom rührenden, kindlich-weisen Besucher aus dem All, der die Kids in unvollständigen Familien und fantasielosen Vorstädten aus ihrer Lethargie befreit. Und mit „Poltergeist“, einer Spukhaus-Story aus demselben Milieu, die den Kampf einer Mittelschicht-Familie um ein verlorenes Mädchen zeigt. Wenn man so will, waren beide Filme Erweckungsstücke für das liberale Publikum, aber eben auch Meilensteine der Filmtechnik. Das genaue Gegenstück lieferte (neben dem australischen Import „Mad Max 2“) die mythische Gewaltfantasie „Conan, der Barbar“, die Arnold Schwarzenegger zum Durchbruch verhalf und in der Blut floss, Köpfe rollten und Knochen brachen wie in kaum einem Mainstream-Film zuvor. Designer Ron Cobb erinnerte sich später: „Ich hatte angesichts all der Stichwunden, durchgeschnittenen Kehlen und Tonnen von Blut die Übersicht verloren.“ Entsprechend empört reagierte die Kritik auf diese „Männerfantasie“. Dem Publikumserfolg tat das keinen Abbruch.
Kino für die diversen Stadien der Pubertät
Dabei war es besonders die Welt der Teenager, die 1982 von serieller Gewalt heimgesucht wurde – in Sequels zu „Halloween“, dessen zweiter und dritter Teil in diesem Jahr ins Kino kamen, oder „Freitag, der 13.“. Von der sozialen Entfremdung der Kids handelten auch die heftigeren Highschool-Filme, die Gewaltfantasie von „Die Klasse von 1984“ und am Rande auch Sexklamotten wie „Die letzte amerikanische Jungfrau“ oder „Porky’s“. Wenn also „E.T.“ noch einmal die Familie zwischen Staunen und Schniefen im Kino vereinte, „Conan, der Barbar“ so sehr wie „Rocky III“ die Magie des einsam kämpfenden Männerkörpers revitalisierte, dann waren die Slasher-Filme und Highschool-Klamotten zwischen Furzwitzen und Duschkabinen-Sex zumindest geschmacklich Kampfansagen des neuen Kern-Publikums. Es war das Kino für die diversen Stadien der Pubertät.
Anders gesagt: Im Hollywood-Kino von 1982 tobte ein Kampf zwischen Körpern und (sozialen) Maschinen. Die Frage war, ob der Körper auf die soziale Disziplin pfiff – wie in den transgressiven Teenager-Komödien – oder ob er sich selbst in eine Art Panzer, in eine Kampfmaschine verwandeln sollte, wie bei „Rocky“ oder „Conan“. Der Film, der diesen Konflikt zugleich intellektuell und visuell beeindruckend aufgriff, war Ridley Scotts Science-Fiction-Thriller „Blade Runner“, der von der Rebellion posthumaner, androider Wesen gegen ihren kapitalistisch-technologischen Schöpfer handelte. Er zeigte: Man konnte mit diesem fantastischen Effektkino durchaus erwachsen werden.
Aus wirtschaftlicher Sicht retteten die vielen Blockbuster zwar das eine oder andere Hollywood-Studio. Aber 1982 war nicht nur ein Jahr der Rekorde, es zeichneten sich auch deutlich neue Krisen ab. Im Frühling des Jahres brachten die US-Majors zum ersten Mal ihre großen Kinoerfolge auf Videokassetten heraus. Kinos und Kritiker fürchteten nicht ganz zu Unrecht einen Ausverkauf, denn die Anzahl der Videotheken überstieg schnell die der Filmtheater. Hollywood musste sich zugleich einem neuen Konkurrenten stellen und versuchen, am Videoboom teilzuhaben. Das Gleiche galt für die Computerspiele, die damals vor allem in der Form von Arcade Games reüssierten: Spielautomaten, an denen die Teenager ihr Taschengeld verspielten.
Noch nicht absehbar war im großen Umbruchjahr 1982, was das anbrechende digitale Zeitalter für das Kino bringen würde. Ein Großteil der spektakulären Tricks der Blockbuster enstand noch analog. So wurden etwa die Effekte in „Poltergeist“, die den Eindruck erweckten, Menschen würden von unheimlichen Kräften an die Zimmerdecke gepresst, mithilfe einer drehbaren Bühne erzeugt, bei der Möbel an eine Seitenwand geschraubt waren. Und während Hollywood im Jahr 1982 die analoge Tricktechnik noch einmal bis zum Exzess nutzte, klopfte zaghaft, aber unüberhörbar das digitale Zeitalter in der audiovisuellen Produktion an die Tür. Das macht noch heute den Reiz dieses Kinos des Übergangs aus: Die Zuschauer erfuhren eine Körperlichkeit, Sinnlichkeit, Handwerklichkeit, die mit der Computerästhetik unwiederbringlich verloren ging.