Wie funktioniert das mit der Liebe? Welche Rituale festigen sie? Wie tickt die Gesellschaft, die diese Bräuche hervorbringt? Mit diesen Fragen im Gepäck reiste die Autorin Charlotte Roche in so unterschiedliche Länder wie die USA, Japan, Israel, Indien, Kenia und auf die schottischen Orkneyinseln. Zurück brachte sie die sechsteilige Doku-Reihe „Love Rituals“ – ein anrührender und vergnüglicher Trip durch die Welt der Paarbeziehungen.
Frau Roche, welche Formen der Liebe sind Ihnen auf Ihren Reisen für „Love Rituals“ begegnet?
Es gibt zwei unterschiedliche Konzepte. In Indien oder im orthodoxen Milieu in Israel etwa wird die westliche Idee der romantischen Liebe eher belächelt. Man nimmt dort den Partner, der für einen ausgesucht wurde. Was zählt, ist ein Leben gemäß den Traditionen zu führen und so viele Kinder wie möglich zu bekommen.
Emotionen spielen keine Rolle?
Das Zusammenbleiben klappt deren Meinung nach besser, wenn keine Gefühle im Spiel sind. Der Wahnsinn! Andererseits: Wenn man sich unsere Scheidungsraten anschaut, könnte da was dran sein. Wir im Westen glauben an eine Art Disney-Liebe und basteln uns Fantasiepartner zusammen. Logisch, dass das Feuer schnell wieder erlischt.
Welches Ritual hat Sie am meisten beeindruckt?
Das Ritual der Kalenjin in Kenia. Vor einer Hochzeit wird die Mitgift ausgehandelt. Allerdings muss nicht die Familie der Braut zahlen, was in vielen Ländern ja einer finanziellen Vollkatastrophe gleichkommt, sondern die Familie des Bräutigams. Die Zeremonie ist sehr aufwendig, das ganze Dorf ist eingeladen und auf allen Beteiligten lastet ein irrsinniger Druck, weil das Ergebnis nicht vorhersehbar ist. Das hat mich fasziniert.
Es geht also ums Geld.
Ich bin ein großer Fan der in Israel lehrenden Soziologin Eva Illouz, die sagt: „Gefühle sind Geld“. Wir lügen uns in die Tasche, wenn wir so tun, als würden wir uns unsere Partner ohne wirtschaftliche Hintergedanken aussuchen. In Wirklichkeit checken wir doch alle erst mal ab, wie der finanzielle Background des anderen ist. Da finde ich es ehrlicher so, wie es in Kenia abläuft.
Warum scheuen sich viele Paare, über ihre Finanzen zu sprechen?
Es gilt als unmoralisch, Liebe mit Geld zu verbinden. Ich persönlich bin aber dafür, alles auch mal unromantisch zu betrachten. Beziehungen sind häufig so sehr von Kitsch überzuckert, dass der Blick für die wirklich wichtigen Dinge fehlt. Klar sind heute viele Frauen im Job erfolgreich – aber meist nur so lange, bis das erste Kind kommt. Weil sie oft weniger verdienen als ihre Männer, ist klar, dass sie zu Hause bleiben. Auch bei uns im Freundeskreis ist das so, obwohl das alles moderne Medienschaffende sind.
Was sind die Folgen?
Viel zu viele Frauen verlassen sich darauf, dass die Liebe ewig währt. Hält sie nicht, droht ihnen die Altersarmut. Deshalb sage ich zu allen Freundinnen: Geht zum Anwalt, macht einen Ehevertrag. Es muss darüber verhandelt werden, was man für die harte Arbeit, Kinder großzuziehen, bekommt. Die Autorin Mirna Funk hat neulich auf Instagram den prägenden Satz gepostet: Hätte ich doch bloß so viel Energie in meine Altersvorsorge gesteckt wie in die Analyse von SMS von Männern.
Warum spielen Rituale gerade in Liebesdingen so eine wichtige Rolle?
Weil sie Sicherheit vermitteln. Fällt der Mann auf die Knie und steckt seiner Partnerin einen Verlobungsring an den Finger, gilt das als ein Zeichen dafür, dass er es ernst meint. Natürlich kann man das hinterfragen, aber die wenigsten Menschen haben den Mut, anders zu leben.
Wie viel Ehrlichkeit verträgt die Liebe?
Seitdem mein Mann und ich gemeinsam den Podcast „Paardiologie“ machen, in dem wir über unsere Beziehung sprechen, denken viele, wir würden alles totreden. Das ist nicht so. Auch bei uns gibt es viele Tretminen. Dinge, über die wir sauer miteinander sind. Aber wir haben gelernt zu sagen: Schwamm drüber, lass uns weitergehen!
Haben Sie Liebesrituale?
Wir machen zusammen Sport und wir lieben die Natur. Wenn mein Mann einen Dompfaff sieht, schreit er wie ein Berserker durchs Haus: Charlotte, komm schnell! Die sehen aus wie ausgedacht, klein und total pink. Wenn solche Vögel bei uns im Garten wohnen, flippen wir aus, als seien das unsere Kinder.
Kann es sein, dass Sie eine Romantikerin sind?
Ich bin 41, Martin und ich sind seit 15 Jahren zusammen, eine lange Zeit. Ich versuche, so viel wie möglich richtig zu machen, um uns zu retten. Ich kämpfe für die Liebe. Das ist doch das Romantischste, was es gibt.