»Elefant im Raum«

Wann wirkt eine Sexszene im Film realistisch? Und wie dreht man sie so, dass sich alle wohlfühlen? Die Intimitätskoordinatorin Ita O’Brien berät zu Dingen, die andere peinlich finden.

Ita O'Brien, Intimitätskoordinatorin
Die Britin Ita O'Brien abeitet für Kino- und Serienproduktionen wie „Normal People“, „I May Destroy You“ oder „Sex Education“. Foto: Dean Sewell/NYT/Redux/laif

Den Job von Ita O’Brien gab es vor ein paar Jahren noch gar nicht. O’Brien, die in Großbritannien lebt, ist Intimitätskoordinatorin. Sie setzt sich mit der Inszenierung von Liebesszenen und Nacktheit, aber auch von Gewalt auf der Leinwand auseinander. Dafür berät sie Filmteams am Set, spricht mit Regisseuren, Produzenten und Darstellern. Das Ziel: heikle Szenen vor der Kamera so umzusetzen, dass hinterher alle mit dem Ergebnis zufrieden sind – und die Illusion für das Publikum perfekt ist. Auch seit Bewegungen wie ­MeToo immer mehr Details über Übergriffe im Filmgeschäft bekannt werden, ist Ita O’Brien international gefragt. Schließlich sind große Hollywoodproduktionen kaum noch ohne Intimitätskoordinatoren vorstellbar, wie die Dokumentation „Prüdes Hollywood“ zeigt. Mittlerweile bildet sie Coaches aus vielen Teilen der Welt aus.

ARTE Magazin Frau O’Brien, wie hat man früher bei einem Filmdreh die Sexszenen gehandhabt?

Ita O’Brien Sie waren der Elefant im Raum: Alle wussten, dass sie kommen würden, aber niemand sprach darüber. Irgendwann musste der Regisseur dann doch mit den Schauspielerinnen und Schauspielern reden. Manche sagten einfach: „Regelt ihr das unter euch.“ Oder: „Ich stelle mir das so vor – geht einfach vor die Kamera und legt los.“ Viele Filmemacher haben mir erzählt, wie nervös sie waren, weil sie nicht wussten, wie sie solche Szenen choreografieren sollten.

ARTE Magazin Wieso wurden sie vorher nicht geprobt?

Ita O’Brien Es gab dafür schlichtweg keinen professionellen Prozess, der alle Beteiligten darauf vorbereitete. Wenn man einen Stunt organisiert, spricht man vorher darüber. Man plant, organisiert, übt. Tatsächlich kann man Intimitätskoordinatoren mit Stunt-Koordinatoren vergleichen: Wir kümmern uns um die technische Anleitung und zeigen, wie etwas echt wirkt, obwohl es simuliert ist. Wir prüfen, was die Schauspieler selbst übernehmen können und was nicht. Im Vordergrund steht dabei das Einverständnis aller Beteiligten – sozusagen als Teil des Risikomanagements.

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Prüdes Hollywood – Laster, Lust und Leidenschaft im Film

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