Natürlich war es eine Provokation. Als Martin Scorsese, bekannt geworden durch Filme wie „Taxi Driver“ (1976), die Passionsgeschichte verfilmte, tat er es auf eher ungewöhnliche Weise. Sein Jesus, dargestellt von Willem Dafoe, taugt nicht als unfehlbarer Held. Er wäre die Ehre des Auserwähltseins gerne los, zweifelt ständig – und gründet zu allem Überfluss auch noch eine Kleinfamilie mit Maria Magdalena. Zwar erweist sich diese Wendung als Halluzination, als Traumsequenz, die Jesus vor Augen steht, kurz bevor er am Kreuz stirbt. Doch mit solchen Feinheiten hielten sich die Kritiker von „Die letzte Versuchung Christi“ (1988) nicht auf. In den USA kam es zu Ausschreitungen von Strenggläubigen, in Frankreich steckten Protestierende ein Kino in Brand. Dabei wollte der Katholik Scorsese das Allzumenschliche eigentlich als Mittel verstanden wissen, um Jesus dem Publikum näherzubringen. Man kann also sagen, dass das Thema viel Raum für Missverständnisse bietet: Wer Filme dreht, wird einfachere Sujets finden können als die Lebens- und Leidensgeschichte Christi.
Abgehalten hat das aber wenige. Bekanntlich ist die Bibel das meistverkaufte Buch aller Zeiten, und entsprechend oft hat man ihre Erzählungen ins Kino gebracht. „Geben Sie mir zwei Seiten aus der Bibel und ich gebe Ihnen einen Film“, soll Cecil B. DeMille, der Regisseur von „König der Könige“ (1927) und „Die zehn Gebote“ (1956), gesagt haben. Schließlich bietet die Schrift den Stoff, aus dem Monumentalfilme gemacht sind: Es gibt verheerende Naturkatastrophen und übernatürliche Rettungen, Plagen, Wunder und den Kampf zwischen Gut und Böse. Szenarien, die man so ähnlich längst für Actionfilme jeglicher Couleur übernommen hat.
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