Dass dies kein gewöhnlicher Fall für Hans Schüssler werden wird, kündigen zu Beginn schon seine Albträume an. Dann scheint seine Recherche in den rumänischen Karpaten außer Kontrolle zu geraten: Was mit dem Verschwinden eines Managers einer Holzfirma beginnt, entpuppt sich als komplexes ökologisches Großverbrechen in einem der letzten Urwälder Europas. Joachim Król spielt den eigenbrötlerischen Ermittler Hans Schüssler und erklärt im Interview, warum ihn dessen Biografie besonders interessiert hat.
ARTE Magazin Herr Król, Sie spielen oft in Filmen, die gewichtige gesellschaftliche Themen aufgreifen. So thematisiert „Blutholz“ illegale Abholzungen – am Beispiel der Karpaten-Wälder in Rumänien. Sind Sie privat ein politischer Mensch?
Joachim Król Ich denke, es gibt überhaupt keine unpolitischen Menschen. Selbst wenn man sich als solcher empfinden möchte, bleibt man doch Objekt des politischen Handelns anderer. Ich bin froh, dass solche Themen immer wieder Platz in der Produktionslandschaft finden. Außerdem empfinde ich es als Gewinn, wenn ich mich neben der schauspielerischen Arbeit mit interessanten Inhalten beschäftigen kann. So auch bei „Blutholz“: Die teils für Billigmöbelkonzerne in wenigen Wochen abgeholzten Waldflächen, die wir in dem Film zeigen, werden 200 Jahre brauchen, um in etwa wieder so auszusehen wie vorher.
ARTE Magazin In dem Film spielen Sie einen Ermittler, der ein ökologisches Großverbrechen aufklären will und Erinnerungen an seine traumatische Vergangenheit verdrängt. Was hat Sie an der Figur fasziniert?
Joachim Król Wie immer bei einer neuen Produktion haben mich erst einmal die „Zutaten“ gereizt. Dabei geht es um das „was, mit wem, wo und wann“. Ich hatte mit Redaktion und Regie bereits erfolgreich ein anderes Projekt abgeschlossen. Dann kam die wunderbare Désirée Nosbusch als Partnerin ins Spiel. Rumänien war ein weißer Fleck auf meiner biografischen Landkarte. Also großes Interesse. Und die Frage nach dem Was beantwortete ein ungemein vielschichtiges Drehbuch: Ein Mann geht an einen Ort, den er für immer meiden wollte, tut Dinge, die er für immer unterlassen wollte, rührt an schmerzhafte Erfahrungen aus der Vergangenheit. Und er erfährt, dass die großen Katastrophen möglicherweise die Summe vieler kleiner menschlicher Katastrophen sind. Schön komplex.
ARTE Magazin Sie scheinen stets sehr nah dran an den Figuren zu sein, die Sie verkörpern. Wie haben Sie sich auf die Rolle des Hans Schüssler vorbereitet?
Joachim Król Zwei Besonderheiten in seiner Biografie haben mich interessiert: die Vergangenheit beim Militär und seine Herkunft als Siebenbürger Sachse. Schüsslers Auslandseinsätze für die Bundeswehr liegen schon eine Weile zurück. Außerdem hat er ein Alkoholproblem. Trotzdem hatte ich den Anspruch, dass man ihm seine Vergangenheit noch ansehen können soll. Nachdem ich mich im Spiegel betrachtet hatte, stand fest: Für die Rolle muss ich trainieren und abnehmen. Um in den Kosmos der Siebenbürger Sachsen einzutauchen, habe ich Kontakt zu deren Organisation in Deutschland aufgenommen. Das war sehr hilfreich bei meiner Annäherung an dieses hochinteressante Kapitel alter und jüngerer europäischer Geschichte.
ARTE Magazin Der Film handelt auch von der schmerzhaften Rückkehr des Ermittlers in seine alte Heimat Rumänien. Ihr Vater hat polnische Vorfahren. War diese Herkunft in Ihrer Familie ein Thema?
Joachim Król Mein Vater ist, wie ich, in Herne geboren, also ein waschechter Ruhrgebiet-Westfale. Anders als bei Schüssler hat es für ihn aber keine vitalen Verbindungen in das Land seiner Ahnen mehr gegeben. Aber um ehrlich zu sein, habe ich mich bei Dreharbeiten in Warschau vor einigen Jahren durchaus heimisch gefühlt.
ARTE Magazin Hans Schüssler stößt bei seinen Ermittlungen auf Widerstand, wird bedroht und macht trotzdem immer weiter. Kennen Sie diesen Durchhaltewillen von sich selbst?
Joachim Król Na ja, Schüssler ist ein harter Knochen und nimmt die Aufgabe, die er zu erledigen hat, sehr ernst. Ich bin froh, dass ich bislang nicht in so existenziell bedrohliche Situationen geraten bin wie er. Rückblickend habe ich das Gefühl, dass ich, auch beruflich, immer auf einer Art Wanderschaft war. Immer wenn eine Tür zufiel, sprangen zwei andere auf. Aber ganz ohne Durchhaltewillen geht es natürlich auch nicht. Besonders, wenn man auf dem Weg Neinsagern und Spaßbremsen begegnet.
Zur Person
Joachim Król, Schauspieler
Der 65-Jährige hatte seinen Durchbruch mit der Komödie „Der bewegte Mann“ (1994).Seitdem machen ihn seine reduzierte Spielweise und
milde Komik zum vielseitigen Darsteller für Theater, Kino
und Fernsehen.