Koreanischsprachige Popmusik, auch bekannt als K-Pop, hat in der jüngsten Dekade einen beispiellosen Aufstieg im internationalen Musikmarkt erlebt. Südkoreanische Bands wie BTS oder Blackpink sind für die Fans der von klein auf digitalisierten Generation Z comichaft überhöhte Superhelden. Dabei formt die Popindustrie immer neue, multimedial vermarktbare Künstlerinnen und Künstler, die sich musikalisch in der Schnittmenge Hip-Hop, R & B und Electro bewegen.
ARTE blickt hinter den hart erkämpften Ruhm und zeigt, wie bekannte Zutaten – perfekt produzierte Songs und Choreografien plus androgyne Körperästhetik – in ein neuartiges digitales Gewand gepackt werden.
DIE ERFOLGREICHSTE BOYGROUP DER WELT
Seit Michael Jackson war niemand so oft in den US-Single-Charts wie die siebenköpfige Formation BTS. Mit Songs wie „Dynamite“ und „Permission to Dance“ schafften die Südkoreaner als erste K-Pop-Band den internationalen Durchbruch. In ihren Texten thematisieren sie Selbstliebe und Identitätssuche – und erreichen damit bei Instagram und Tiktok insgesamt rund 130 Millionen Follower. Dabei lässt sich beobachten: Noch nie war Pop so interaktiv. BTS posten Clips ihrer Choreografien, damit die Fans sie nachtanzen können. Laut einer Studie des Hyundai Research Institute trugen BTS bereits mehrere Milliarden Euro zur Wirtschaft Südkoreas bei. Trotzdem müssen die Musiker in ihrer Heimat zur zweijährigen Wehrpflicht antreten. Bis 2025 heißt es deshalb: K-Pop-Zwangspause.
STRATEGISCHE FANKULTUR
Die 360-Grad-Vermarktung der Idols, wie K-Pop-Stars genannt werden, über soziale Netzwerke steht für die Musikindustrie im Fokus: Über die App „Weverse“ bekommen Fans etwa über Kurzvideos und Chats exklusive Einblicke in das Leben der Künstlerinnen und Künstler. „Die IT- und Content-Industrie ist ein Bereich, in den die südkoreanische Regierung strategisch investiert, um damit die Nachfrage nach K-Pop durch eine global vernetzte Fankultur zu fördern“, sagt Michael Fuhr, Musikethnologe an der Universität Hildesheim. „Das ist entscheidend für den Erfolg.“ Das digitale Marketing bindet die Fans emotional – und leitet sie oft direkt zum Treueschwur zu verlinkten Online-Shops. So zu beobachten beim weiblichen Pendant von BTS, der Girlgroup Blackpink (Foto links), die auf Youtube extrem erfolgreich ist: Ihr Musikvideo zum Hip-Hop-Song „How You Like That“ wurde in den ersten 24 Stunden mehr als 86,3 Millionen Mal geklickt und brach drei Weltrekorde.
MIT DEEP FAKE ZUR PERFEKTION
Seit Anfang dieses Jahres sorgt die neue K-Pop-Band Mave für Aufsehen. Ihre Debütsingle „Pandora“ wurde in den ersten Monaten über 22 Millionen Mal gestreamt. Das Besondere: Die vierköpfige Girlgroup ist am Computer entstanden. Seit 2018 versucht sich die südkoreanische Musikindustrie an Bands, die erst durch Künstliche Intelligenz und Deep-Fake-Technologie zum Leben erwachen. „Der Einsatz von KI in der Musikindustrie ist ein weiterer Weg der Monetarisierung“, sagt Musikethnologe Michael Fuhr. „Schließlich ist die Produktion so weniger menschlichen Risiken oder Fehlern ausgesetzt. Den K-Pop-Idols wird viel abverlangt – ein virtueller Star kann vieles besser ertragen und umsetzen.“ Im Gegensatz zu anderen KI-Gruppen basieren die Gesichter der Band Mave nicht auf realen Vorlagen, sondern sind frei erfunden. K-Pop-Fans konnten in der Entstehungsphase für die beliebteste Version abstimmen.
K-POP ALS SCHMUGGELWARE
Auch wenn K-Pop erst seit wenigen Jahren weltweiten Anklang findet, prägt er die Kultur Südkoreas seit mehr als 30 Jahren. Die Gründung des Trios Seo Taiji And Boys 1992 gilt als Geburtsstunde des Genres: Erstmals wurden koreanische Texte mit Elementen von westlich geprägten Genres wie Rap, Rock und Techno kombiniert. Die Szene expandierte, bis der Rapper Psy es 2012 mit dem Song „Gangnam Style“ zum ersten K-Pop-Welthit schaffte. Die südkoreanische Musikwelle macht derweil auch vor Nordkorea nicht Halt: Regelmäßig werden K-Pop-Datenträger über die Grenzen des Nachbarlands geschmuggelt. Für Diktator Kim Jong-un sind die modernen Texte, die die nordkoreanische Jugend begeistern, höchst besorgniserregend. Bereits das Unterlassen, den Handel mit „antisozialistischer Musik“ zu melden, kann bis zu sieben Jahre Arbeitslager kosten.