Mit einem Nylonnetz und einem Blasrohr ausgestattet, durchwatet Peng Megut einen Fluss unweit seiner Hütte im Dschungel von Sarawak. Auf der Jagd braucht er außer diesen Utensilien vor allem eines: viel Geduld. „Fische sind in der Gegend selten geworden“, sagt er. Der Fang werde von Jahr zu Jahr spärlicher. Auch Wildschweine, die bei Pengs Volk, den indigenen Penan, als Delikatesse gelten, ließen sich nicht mehr oft blicken.
Seitdem Palmöl- und Holzkonzerne in den 1980er Jahren begannen, den Regenwald in dem malaysischen Bundesstaat auf Borneo zu roden, haben seine Familie und andere Waldnomaden ihre Lebensgrundlage fast vollständig verloren. Nur noch ein Prozent der rund 11.000 Penan leben nomadisch, die meisten wohnen in ärmlichen Siedlungen und arbeiten zu Hungerlöhnen für die Industrie. „Wir sind vielleicht die letzte Generation, die sich vom Wald und seinen Tieren und Pflanzen ernähren kann“, sagt Peng.
Mehr als 90 Prozent des Primärwalds von Sarawak sind bereits abgeholzt; die jahrelangen Straßenblockaden der Penan konnten das nicht verhindern. Auf den gerodeten Arealen stehen heute Ölpalmenplantagen oder sie liegen einfach nur brach. Die ARTE-Doku „Blasrohre gegen Bulldozer“ zeigt dies mit eindringlichen Bildern.
„Der Wald und mit ihm die Kultur der Penan wurden geopfert für den Profit, den Konzerne und Politiker mit dem Handel von Tropenholz erwirtschaftet haben“, sagt Lukas Straumann, Sprecher des Baseler Bruno Manser Fonds (BMF), der sich für den Erhalt der letzten Dschungelgebiete einsetzt. Gemeinsam mit seinem Team hat er die Geschäfte der Holzbarone und anderer Nutznießer des Kahlschlags untersucht. Demnach reiche das Geflecht von Profiteuren der – bisweilen illegal vergebenen – Landkonzessionen bis in höchste politische Ämter.
Zu den Drahtziehern zählten unter anderem Sarawaks Gouverneur Taib Mahmud und dessen Entourage. Bislang wurde er nicht zur Rechenschaft gezogen. In der Schweiz verklagte dagegen eine Tochter von Taib den BMF wegen angeblicher Ehrverletzung – das Verfahren läuft noch.
„Korrupte Politiker haben den Raubbau in Sarawak ermöglicht, indem sie bei krummen Geschäften wegschauten oder Landkonzessionen als Gegenleistung für Wahlspenden vergaben“, sagt Straumann. Mithilfe des von Konzernen finanzierten Stimmenkaufs wurden gesamte Dörfer dazu gebracht, den Wunschkandidaten der Regierung zu wählen. Im Gegenzug erhielten die Bewohner Zuwendungen wie 50 Ringgit (10 Euro) in bar, Wassertanks oder das Versprechen auf eine Straße.
Der BMF und die Organisation Global Witness fanden heraus, dass die für die Deals nötigen Finanztransaktionen meist über Großbanken in Singapur liefen. Der Grund: das Bankgeheimnis des südostasiatischen Stadtstaats. Ermittlungen der malaysischen Anti-Korruptions-Behörde scheitern daran routinemäßig – und die Geldinstitute, unter ihnen namhafte europäische Banken, verdienten mit ihren diskreten Dienstleistungen hohe Millionenbeträge, wie Straumann in seinem Buch „Raubzug auf den Regenwald“ (2014) dokumentiert hat.
Indigene ohne Staatsbürgerschaft
Die Staatsorgane von Sarawak nutzen derweil die prekäre Situation der Penan aus. So verweigern sie vielen älteren Angehörigen des Volkes, die keine Geburtsurkunde vorweisen können, die Ausweispapiere. Die Behörden unterstellen ihnen, sie seien über die grüne Grenze aus Kalimantan gekommen, dem indonesischen Teil Borneos. Auch Peng Megut wartet seit Jahren auf seine Papiere. „Man will meine Staatsbürgerschaft nicht bestätigen“, mutmaßt er, „damit ich keine Chance habe, mich vor Gericht gegen den Holzschlag zu wehren.“
Im vergangenen September errangen die Penan dennoch einen kleinen Erfolg, als Rodungsarbeiten für eine 4.400 Hektar große Palmölplantage am Rand des zum Unesco-Welterbe zählenden Mulu-Nationalparks gerichtlich gestoppt wurden. Bewohner des Areals hatten die Betreiberfirma und die Regierung verklagt und eine internationale Publicity-Kampagne gegen die Abholzung lanciert.
Das Urteil lässt Peng Megut und andere Waldnomaden hoffen, dass ein Vorhaben des ehemaligen Ministerpräsidenten Adenan Satem, das nach dessen Tod 2017 rasch in Vergessenheit geraten war, doch noch umgesetzt werden könnte: der Baram Heritage Forest. Satem wollte in einer entlegenen Region Sarawaks ein 10.000 Quadratkilometer großes Schutzgebiet für die Penan einrichten. Für eine Kultur, in der es kein Privateigentum gibt und Teilen oberstes Gebot ist, wäre das überlebenswichtig.