AUF DIE ERSTE WUT … Seinen Anfang nimmt der sogenannte Handelskrieg zwischen den beiden Supermächten im Jahr 2018. Grund: Donald Trump wittert Ungerechtigkeiten gegenüber seinem Land. Zum einen ist ihm das chronische US-Handelsbilanzdefizit ein Dorn im Auge, das zu dem Zeitpunkt in Bezug auf China laut dem heimischen Statistikamt United States Census Bureau bei etwa 420 Milliarden US-Dollar liegt. Kurz: Der Wert der US-Importe aus China ist viel höher als umgekehrt. Zum anderen wirft der US-Präsident dem Handelspartner unfaire Praktiken durch massive Staatssubventionen, Diebstahl von Know-how sowie Technologietransfer vor.
… FOLGT DIE EMPÖRUNG Als die Trump-Administration China mit diesen Anschuldigungen sowie der Ankündigung drakonischer Strafzölle auf die Exporte in die USA konfrontiert, ist die Verärgerung groß. Die Volksrepublik wertet das Vorgehen als illegitimen Protektionismus. Ihr Vorwurf: Trumps Ziel sei nicht, wie von ihm behauptet, der Schutz des eigenen Marktes, sondern die Schwächung der boomenden chinesischen Wirtschaft.
NACH DEM ERSTEN SCHLAG … „America first“ – China und die Welt erfahren, was dieser Slogan, mit dem Trump ungeachtet internationaler Abkommen die eigene Wirtschaft stärken möchte, konkret bedeutet: Der Präsident verhängt im Januar 2018 Strafzölle in Höhe von 30 Prozent auf Solarzellen und -module sowie von 20 bis 50 Prozent auf Waschmaschinen. Produkte, die in Massen aus China importiert werden. Anschließend folgen 25 Prozent auf den Import von Stahl und zehn Prozent auf Aluminium. Das Argument hierbei: Eine Abhängigkeit vom Ausland dürfe bei diesen Gütern nicht entstehen, sie dienten der nationalen Sicherheit.
Rund 1.100 chinesische Produkte mit einem Handelsvolumen von 50 Milliarden Dollar werden bis Juni 2018 mit 25 Prozent besteuert. Auch wenn die Strafen besonders China gelten, treffen die Stahl- und Aluminiumzölle – nach einer kurzen Schonzeit – bald auch die Nachbarländer Kanada und Mexiko sowie die EU. Die Europäer reagieren ihrerseits mit Zöllen auf US-Waren wie Motorräder und Whiskey. Auch Kanada und Mexiko verhängen Zölle auf US-Produkte, darunter Stahl, Orangensaft, Äpfel. Im Herbst 2018 erheben die USA zusätzlich Zölle von zehn Prozent auf Waren aus China im Wert von 200 Milliarden Dollar, die sie 2019 auf 25 Prozent erhöhen.
Wirtschaftlich gesehen, gab es keinen Grund für einen Handelskrieg mit China. Donald Trump wollte vielmehr ein Feindbild generieren
… KOMMT DER GEGENSCHLAG Und so antwortet die Volksrepublik auf die ersten Zölle ihres amerikanischen Handelspartners prompt mit Gegenzöllen. Anfangs werden im April 2018 Zölle auf amerikanische Waren im Wert von drei Milliarden Dollar erhoben, was zunächst rund 128 US-Produkte betrifft, die mit 25 Prozent Steuern belegt werden. Bis zum Sommer legen die Chinesen eine Liste von 659 US-Produkten mit einem Volumen von 50 Milliarden Dollar vor, auf die Zölle von 25 Prozent anfallen. Diese betreffen vor allem Agrarprodukte wie Sojabohnen, die besonders den Farmern im Mittleren Westen der USA schaden. Ein bewusst gewähltes Ziel der chinesischen Vergeltung, denn die Landwirte bilden Trumps treueste Wählerschaft. Xi Jinping, der sich lange zurückhaltend äußert, erklärt einige Monate später, dass China den Konflikt nicht wolle. Aber: „Wir werden, wenn nötig, zurückschlagen!“
Opfer auf allen Seiten
Während die Handelspartner verärgert und verunsichert sind, twittert Trump: Ein Handelskrieg sei „gut und leicht zu gewinnen“. 2019 droht er den Europäern mit Zöllen von 25 bis 35 Prozent auf ihre Autos. Besonders für Deutschland ein Horrorszenario, dem es entkommt – vorerst.
Auch die eigene Bevölkerung leidet unter Trumps aggressiver Politik, denn laut Ökonomen werden die zollbedingt entstandenen Mehrkosten fast vollständig auf die importierten Waren umgelegt. Besonders die US-Agrarindustrie gilt als großer Verlierer. Während vor 2018 rund 60 Prozent der Sojaernte nach China gingen und für zwölf Milliarden Dollar Umsatz sorgten, sinken die Gewinne von da an.
Laut dem chinesischen Zoll bricht der Handel zwischen beiden Ländern 2019 im Vergleich zum Vorjahr um 14,6 Prozent ein, Chinas Importe aus den USA gehen um 20,9 Prozent zurück und die Exporte dorthin um 12,9 Prozent. Einen Erfolg verbucht die Volksrepublik im September 2020, als das Streitschlichtungsgremium der Welthandelsorganisation (WTO) die US-Zölle als Verstoß gegen die internationalen Zoll- und Handelsregeln bewertet.
Hoffnung auf Erholung
Eine erste Deeskalation zeichnet sich im Januar 2020 in Form des sogenannten Phase-1-Handelsabkommens ab. Trump spricht von einem „bedeutenden Schritt“. China verpflichtet sich darin, für zusätzliche 200 Milliarden Dollar Industrie-, Agrarprodukte und Energie aus den USA zu kaufen sowie geistiges Eigentum zu respektieren. Die USA wollen dafür von neuen Zöllen absehen, vorhandene sollen zunächst bleiben. Xi Jinping zeigt sich insgesamt optimistisch: „Der Abschluss ist gut für China, für die USA und die ganze Welt.“
Für viele Beobachter indes ist der Phase-1-Deal kein großer Durchbruch, sondern allenfalls ein Waffenstillstand. Für andere ist er ein wichtiger Schritt in Richtung eines fragilen Friedens. Dieser wird jedoch kurz darauf durch die noch heute wütende Corona-Pandemie herausgefordert. Nicht nur, weil diese die Weltwirtschaft erschüttert, sondern weil der US-Präsident keine Gelegenheit auslässt, vom „chinesischen Virus“ als einem „sehr schlechten Geschenk“ Chinas an die Welt zu sprechen. „Kaum ist die Tinte unter dem Vertrag getrocknet, ist dieses Ding gekommen. Sie hätten es stoppen können.“ Klar ist: Der vor knapp drei Jahren ausgebrochene Handelskonflikt spaltet noch heute die Welt. Eine Herausforderung, aber auch Chance für den neuen US-Präsidenten Joe Biden und seine Vision von Versöhnung.
Es läuft auf einen neuen Kalten Krieg zwischen zwei Führungsmächten hinaus. Nur sind deren Wirtschaften, anders als damals zwischen den USA und der Sowjetunion, eng miteinander verflochten und voneinander abhängig