Fast hätte sich Elon Musk auch die wohl spektakulärste Hightech-Erfindung seit dem Smartphone gekrallt: ChatGPT von OpenAI. Musk wollte das kalifornische Unternehmen 2018 unbedingt in sein Firmenimperium eingliedern – irgendwo zwischen Tesla, SpaceX und Neuralink. Der umstrittene reichste Mensch der Welt war Mitgründer und lange Zeit Hauptinvestor von OpenAI. Dessen Entwicklerteam hatte jedoch kein Interesse daran, dass ihr Unternehmen von Musk geschluckt wird. Ein Affront für den Multimilliardär, der Donald Trump unterstützt und kürzlich einen Aufruf zur Wahl der AfD im Internet verbreitete: Laut Berichten des Technik-Magazins Wired prophezeite er OpenAI nach der Abfuhr ein baldiges Scheitern, beschimpfte Wissenschaftler des Unternehmens als „Trottel“ und zog seine komplette Finanzierung zurück. Der Zwist könnte sich als Glücksfall erweisen: Seit 2022 stellt OpenAI den auf künstlicher Intelligenz (KI) basierenden Internet-Chatbot ChatGPT, der in Sekunden komplexe Text- und Bildinhalte kreiert, kostenfrei zur Verfügung. Ein technologischer Meilenstein, den man ungern in Elon Musks alleiniger Verantwortung wissen will.
Schon jetzt besitzen Superreiche wie Musk eine ungeheure, historisch einmalige Machtfülle, weil sie an den Schalthebeln von Zukunftstechnologien sitzen. Das verschafft ihnen immer mehr politischen Einfluss, was umso gefährlicher wird, wenn sie antidemokratische Ideale verfolgen. Dabei stellt sich die Frage: Wer setzt Superreichen Grenzen? Die Appelle an demokratische Regierungen, die global vernetzten Monopole der Finanzelite zu regulieren und zu besteuern, verhallen seit Jahrzehnten.
Stellt man nun ChatGPT die Frage, warum Superreiche ein zunehmendes Problem darstellen, fällt die Antwort eindeutig aus: „In einer demokratischen Gesellschaft sollte das Ziel darin bestehen, die Interessen und Bedürfnisse aller Bürgerinnen und Bürger zu berücksichtigen, anstatt die Macht und den Reichtum in den Händen einer privilegierten Elite zu konzentrieren. Es ist wichtig, Mechanismen zu schaffen, die die Macht der Superreichen begrenzen und sicherstellen, dass die Grundprinzipien der Demokratie, wie Gleichheit und Partizipation, gewahrt bleiben“, antwortet der Chatbot von OpenAI innerhalb einer Sekunde. Auch wie diese Mechanismen aussehen könnten, beschreibt die KI: Empfohlen werden progressive Steuersysteme, die Stärkung der Regulierung von Monopolen und die Förderung von transparenten politischen Prozessen. Hätte sich diese Analyse auch durchgesetzt, wenn Elon Musk heute alleiniger Eigentümer der KI-Plattform wäre?
Nach Zählung des Magazins Forbes gibt es derzeit weltweit mehr als 2.600 Menschen mit einem Vermögen von mindestens einer Milliarde US-Dollar. Die Anzahl der Superreichen hat sich somit seit dem Jahr 2000 mehr als verfünffacht. Wie es dazu kommen konnte, zeigt die ARTE-Dokureihe „Kapitalismus made in USA – Reichtum als Kult“. Noch immer beheimaten die Vereinigten Staaten die mit Abstand größte Anzahl an Milliardären, wobei besonders große Vermögen mittlerweile eng mit Tech-Firmen wie Tesla, Amazon, Microsoft, Meta, Google und Oracle verknüpft sind. Nicht nur in der Technologie-Branche verstärken Superreiche ihren Einfluss, sondern auch bei Medien, im Gesundheitswesen, im Bildungsbereich und auf dem Wohnungsmarkt – meist zulasten der Mehrheitsgesellschaft. Beispiel Immobilien: Wo immer Superreiche massiv in Bauprojekte investieren, geschieht das selten, um Wohnraum zu schaffen, sondern vor allem aus Renditegründen. In der Folge steigen, wie in allen Ballungszentren der Welt zu beobachten, die Mieten und erschwinglicher Wohnraum für Normalverdiener schwindet.
Zukunftsforscher wie Yuval Noah Harari warnen schon länger davor, dass sich die Menschheit im 21. Jahrhundert noch mehr spalten könnte als bisher – „in eine nutzlose Masse und eine gottgleiche Elite“, wie der israelische Autor von „Homo Deus“ (2015) es ausdrückt. Auch US-Ökonom und Wirtschaftsnobelpreisträger Angus Deaton sorgt sich um den Zustand des Kapitalismus – und sieht dringenden Handlungsbedarf. In einem Spiegel-Interview zu seinem neuen, noch nicht in deutscher Fassung erschienenen Buch „Economics in America: An Immigrant Economist Explores the Land of Inequality“ konstatiert Deaton: „Der amerikanische Kapitalismus funktioniert für einen großen Teil der Bevölkerung nicht mehr. Die Hyperglobalisierung der vergangenen Jahrzehnte ist zu weit gegangen.“
Die Hyperglobalisierung ist zu weit gegangen