Manche leisten Widerstand, andere passen sich an – und immer mehr Menschen nutzen ihren Erfindergeist im Kampf gegen den Klimawandel. Wie die ARTE-Dokureihe „Eine neue Welt“ zeigt, geht es nicht nur darum, schnell zu sein, sondern auch, groß zu denken. Sehr groß. Denn die Schäden am Planeten, die der Mensch – allen voran in Europa, den USA, China und anderen hochindustrialisierten Ländern – in den vergangenen 200 Jahren verursacht hat, sind immens. Bleibt der Ausstoß an Treibhausgasen auf jetzigem Niveau und erfolgen zu wenig Kompensationen, steuert die Erde laut Wissenschaft auf den Klimakollaps zu. Zwar bleibt das Prädikat „nachhaltig“ oftmals ein unerfülltes Marketingversprechen – aber es gibt sie: groß gedachte Projekte und Innovationen, die Hoffnung machen. Eine Auswahl.
Grüne Energie aus der Wüste: Das Comeback von Desertec
Vor gut zehn Jahren stand das Projekt für eine Utopie: Die Desertec-Initiative wollte, mit Hochtechnologie des Westens, vor allem von deutschen Unternehmen, riesige Solarkraftwerke in der Wüste des Nahen Ostens bauen. Geplant war, das energiehungrige Europa mit massenhaft grünem Strom zu versorgen. Dann sprangen die Investoren ab, denn die durch Öl und Gas reich gewordenen Machthaber in der Region glaubten nicht an die Versprechen der Europäer und fürchteten eine Art Neokolonialismus. Inzwischen erlebt die Idee vom grünen Strom aus der Wüste ein Comeback: Im Nahen Osten und Nordafrika „explodieren die Projekte“ für Sonnen- und Windkraft, betont Paul van Son, Gründungsmitglied der Desertec-Initiative. Er treibt die Energiewende im Nahen Osten und Nordafrika heute als Berater voran. Länder wie Marokko, Ägypten, Omar und Saudi-Arabien müssen laut van Son erst ihren eigenen Energie-Mix mithilfe von Solar- und Windkraft transformieren, bevor sie grünen Strom exportieren können. Er ist überzeugt: In wenigen Jahren fließe jede Menge Strom, aber auch emissionsfrei erzeugter Wasserstoff aus dem Süden nach Europa. „Die Wüste eignet sich eben perfekt zur Energiegewinnung“, so van Son.
Erneuerbare Energien sind eindeutig die Zukunft für den Nahen Osten und Nordafrika
Pflanzen, umbauen, reparieren: Die große Wiedergutmachung
Sparen, sparen, sparen müssen wir – so viel ist klar. Die Treibhausgas-Emissionen müssen runter. Mindestens ebenso wichtig laut Klima-Experten: Das durch die Industrialisierung im Übermaß ausgestoßene CO₂ und Methan müssen absorbiert und gespeichert werden. Neben großflächiger Aufforstung, wie sie Agrarforscher Tony Rinaudo (siehe Seite 16) betreibt, oder dem in der ARTE-Dokumentation „Eine neue Welt“ vorgestellten Projekt Plant-for-the-Planet gibt es zahlreiche weitere Innovationen zur Wiedergutmachung unserer Klimasünden: etwa das Verfahren Direct Air Capture, eine Art CO₂-Staubsauger. Mit Ökostrom betriebene industrielle Anlagen, auch „künstliche Bäume“ genannt, entziehen der Atmosphäre mit dieser Technik Kohlenstoffdioxid. Auch eine Möglichkeit: ökologisch verarmte Flächen zu Biodiversitätsgebieten umbauen, wie es das mit einer Drogeriemarktkette kooperierende Projekt Heimaterbe im großen Stil plant. Da die Ozeane zu den größten CO₂-Speichern zählen, ist auch hier Wiedergutmachung angesagt: Am Great Barrier Reef in Australien erprobt man derzeit etwa einen Unterwasser-Roboter (LarvalBot), der autonom durch den Klimawandel beschädigte Korallenriffe restaurieren soll.
Rettung aus den Laboren: Die neuen Wundermaterialien
Dass allein Technik die Erlösung von allen menschengemachten Problemen bringt, daran glauben nicht mal mehr treueste Silicon-Valley-Verehrer. Nichtsdestotrotz sind wir – angesichts der Größe der Aufgabe – auf Nerds, Tüftler und Erfinderinnen angewiesen, wollen wir das Weltklima stabilisieren. Im Bausektor etwa, einem der größten Treibhausgas-Verursacher, hofft man auf klimaneutralen Zement, wie ihn die University of Colorado Boulder erforscht. Hauptbestandteil: Mikroalgen. Kaum weniger spektakulär wäre ein Umbruch im schmutzigen Geschäft der Textilindustrie. Natsai Audrey Chieza, in Simbabwe geborene Designerin und CEO des in London ansässigen Entwicklungsstudios Faber Futures, forscht mit ihrem Team deshalb intensiv an neuen, biologisch inspirierten Materialien. Darunter: Bakterien, die Pigmente produzieren und auf Stoffen wachsen. Eine mögliche saubere Alternative zu wasser- und chemieintensiven Färbeprozessen. „Wir erlauben der Natur, uns zu zeigen, wie ein neues System aussehen könnte“, sagt Chieza. Ebenfalls vielversprechend: zellkultiviertes Fleisch aus tierischen Stammzellen. Das britische Unternehmen Ivy Farm arbeitet seit August in einer Pilotanlage daran und verspricht sich: echtes, essbares Fleisch – ressourcenschonend produziert, ganz ohne tote Tiere.