Es wirkt ungerecht, dass immer noch alle Scheinwerfer auf Elon Musk und seine Gigantomanie gerichtet sind. Der kurzzeitig reichste Mensch des Planeten lässt in Roboterfabriken massenhaft Elektroautos bauen und träumt vom Leben auf dem Mars. Aber als Weltretter, für den er sich hält, taugt er kaum. Diese Rolle stünde jemandem wie Jeffrey Brian Straubel besser. Der Mitgründer und ehemalige technische Leiter von Tesla gilt unter Ingenieuren als das eigentliche Genie der Firma. Ohne viel Wirbel um seine Person hat er sich mittlerweile von Musk distanziert und konzentriert sich darauf, die toxischen Hinterlassenschaften des eben erst begonnenen Elektro-Zeitalters in den Griff zu bekommen. Allen voran: die Batterien. Sein im US-Staat Nevada ansässiges Unternehmen Redwood Materials recycelt im großen Stil Lithium-Ionen-Batterien, wie sie in Smartphones, E-Autos und bei Photovoltaikanlagen zum Einsatz kommen.
Um die Dimension dieser Aufgabe zu begreifen, hat das US-Magazin Time für einen Artikel über Straubel den Taschenrechner ausgepackt – und kam zu einem eindeutigen Ergebnis: Für die Menge an Batterien, die für die globale Energiewende und die Bekämpfung des Klimawandels in den kommenden Jahrzehnten notwendig ist, müsste man ein Vielfaches dessen aus dem Erdboden holen, was in der gesamten Menschheitsgeschichte an Kobalt, Lithium und anderen raren Rohstoffen gefördert wurde. Die ARTE-Dokumentation „Kobalt, die dunkle Seite der Energiewende“ lässt erahnen, was das bedeuten würde – mit Eindrücken aus kongolesischen Minen, wo derzeit bis zu 70 Prozent des weltweit begehrten, aber extrem raren Schwermetalls abgebaut wird. Die Begleiterscheinungen der Kobaltminen: Umweltzerstörungen und Menschenrechtsverletzungen.
Damit derartiger Bergbau irgendwann der Vergangenheit angehört, arbeiten Recycling-Pioniere wie Straubel an einer energie- und ressourcenschonenden Kreislaufwirtschaft für leistungsstarke Batterien: „Wir werden ein geschlossenes, sauberes System schaffen, in dem wir die notwendigen Mineralien Generation für Generation wiederverwenden. Und zwar für immer“, so Straubel gegenüber Time. Nicht nur das renommierte Nachrichtenmagazin glaubt daran, dass hinter seinen Worten mehr steckt als übertriebener Tech-Optimismus. So verkündeten Volkswagen und Audi im Sommer 2022 eine umfassende Zusammenarbeit mit Redwood Materials. Europäische Großkonzerne wie BASF und Umicore tüfteln derweil an eigenen Lösungen zum Batterierecycling. Es geht dabei, so viel ist klar, nicht allein um Umweltschutz. Etwaigen Lösungsanbietern winken viele Milliarden, wenn erst einmal jährlich Hunderttausende E-Autos verschrottet werden.
Laut einer neuen EU-Richtlinie sollen die Verwertungsquoten für batterierelevante Stoffe wie Kobalt, Nickel und Kupfer bereits bis zum Jahr 2025 auf 90 Prozent steigen, bis zum Jahr 2030 sogar auf 95 Prozent. „Das umzusetzen, ist technologisch nicht ganz trivial, aber mit erfahrenen Wissenschaftlern und gutem Equipment auf jeden Fall machbar“, sagt Julia Meese-Marktscheffel im Gespräch mit dem ARTE Magazin. Sie ist Leiterin der Abteilung Technik und Innovation der Firma H. C. Starck Tungsten Powders, die seit rund 100 Jahren vom niedersächsischen Goslar aus Metalle verarbeitet und recycelt. Eigentlich gilt das Unternehmen als Spezialist in der Wiederverwertung des Hartmetalls Wolfram – zu finden etwa in Industriebohrern, panzerbrechender Munition und Sportgeräten. Aufgrund der hohen Nachfrage arbeitet H. C. Starck Tungsten Powders seit 2021 im Rahmen eines staatlich geförderten Pilotprojekts auch an neuen Verfahren zum nachhaltigen Recycling von Kobalt. In einer Kombination aus mechanischen und thermischen Trenn- und Reinigungprozessen werden dabei in Batterien verbaute Metallverbindungen in die einzelnen Bestandteile aufgespalten und wiederaufgearbeitet.
SMARTPHONES UND ZAHNBÜRSTEN ALS RESSOURCE
„Die große Frage wird sein, wie viele Batterien von E-Autos und anderen Geräten am Ende ihrer Laufzeit überhaupt ihren Weg zu europäischen Recyclern zurückfinden“, betont Meese–Marktscheffel mit Blick auf den hart umkämpften globalen Ressourcenmarkt. Die derzeitige Energiekrise verschaffe etwa asiatischen Firmen einen deutlichen Vorteil bei industriellen Prozessen. Wolle man den Bedarf an seltenen Metallen in Zukunft ohne neue Minen decken, müssen laut der Recycling-Expertin auch sogenannte Consumer-Akkus, wie sie in Smartphones, elektrischen Zahnbürsten oder Akkubohrern eingebaut sind, besser wiederverwertet werden. „Das Potenzial ist groß, wenn wir diese Kleinstgeräte vernünftig sammeln und demontieren, um eine Grundlage für das Metallrecycling zu schaffen. Da passiert noch zu wenig.“