Wenn es ums weiße Gold geht, sind die Österreicher allergisch.“ Heinz-Christian Strache, ehemals Chef der FPÖ, wusste, wovon er sprach, als er im Sommer 2017 in einer Finca auf Ibiza einer vermeintlichen russischen Oligarchennichte mit diesen Worten ein lukratives Geschäft vorschlug. Gemeint war das Grundwasser, einer der kostbarsten Schätze der Alpenrepublik. Eine privatisierte Wasserversorgung, so der österreichische Rechtspopulist, würde gleichwohl gute Rendite abwerfen, köderte er die Frau: „Des hat Sex.“
Allein, der Deal kam nie zustande. Die reiche Nichte war eine Schauspielerin, das Gespräch fingiert, es wurde versteckt gefilmt; Strache verlor 2019 seine politischen Ämter, nachdem das Video publik wurde. Gesellschaft und Politik waren in Sachen Wasser indes hellhörig geworden, sodass der österreichische Nationalrat im Juli das Recht der Staatsbürger auf die Wasserressourcen des Landes in der Verfassung verankerte. In der EU hatte das zuvor nur Slowenien getan, obwohl die Vereinten Nationen den freien Zugang zu Trinkwasser bereits 2010 als Menschenrecht deklariert hatten.
Ein überfälliger Schritt: Laut UN-Wasserreport 2019 leben zurzeit mehr als zwei Milliarden Menschen in Staaten mit hohem Wasserstress. 844 Millionen Menschen, also rund zehn Prozent der Erdbevölkerung, fehlt der sichere Zugang zu Trinkwasser. Bis zum Jahr 2030 könnte die Lücke zwischen dem Bedarf und der natürlichen Neubildung von Grundwasser auf 40 Prozent wachsen – auch in Teilen Europas drohen Versorgungsengpässe, warnen die UN-Experten.
Von der Wasserknappheit am schlimmsten betroffen ist der afrikanische Kontinent. Einer Studie des World Resources Institute zufolge fehlt in den Ländern südlich der Sahara knapp 400 Millionen Menschen jegliche Versorgung mit Trinkwasser. In Südafrika rief die Regierung Ende Oktober 2019 erstmals den Wassernotstand aus. „Die sehr lange Trockenzeit und die anhaltend hohen Temperaturen sind Hauptgründe für die Dürre“, begründete Infrastrukturministerin Lindiwe Sisulu den Schritt. Ein paar Monate zuvor hatte die Metropole Kapstadt den Day Zero – den Tag, an dem kein Wasser mehr aus dem Hahn fließt – gerade noch abwenden können.
Das Recht auf sauberes Trinkwasser wird mit Füßen getreten
Gigantischer Markt für Spekulanten
Knappe Ressourcen locken bekanntlich Spekulanten an: So hat die katastrophale Lage in vielen Schwellen- und Entwicklungsländern etliche Finanzkonzerne angespornt, Produkte zu entwickeln, mit denen Anleger vom globalen Geschäft mit dem Trinkwasser profitieren sollen. Ein gigantischer Markt. Im Dokumentarfilm „Wasser – Im Visier der Finanzhaie“, den ARTE im Dezember zeigt, schildert Regisseur Jérôme Fritel, wie dieser Markt funktioniert, wer die Nutznießer und die Leidtragenden sind. Bei Anlegern sind die Wasserpapiere begehrt. Etwa der Fonds Allianz Global Water, der im August 2018 aufgelegt wurde. Sein Wert stieg seither um 20 Prozent. Auch Pictet Water beglückt die Investoren: Seit seiner Gründung im Januar 2000 legte der Fonds der Schweizer Privatbank Pictet um rund 250 Prozent zu.
Für Pictet-Manager Hans Peter Portner ein Grund zur Freude: Sein Produkt trage dazu bei, dass Wasserversorgungsprojekte in Entwicklungsländern große Fortschritte machten. „Als wir den Fonds lancierten, wurden nur acht Prozent der Weltbevölkerung von privaten Anbietern mit Wasser versorgt“, sagt Portner. „2030 werden es wohl rund 30 Prozent sein.“
Kritiker wie die ehemalige kanadische Regierungsberaterin Maude Barlow betrachten die Entwicklung mit Sorge: Unter dem Dach der von Weltbank und Lebensmittelkonzernen wie Nestlé und Coca-Cola gegründeten Water Resources Group betreibe die Wasserlobby seit Jahren die Ausbeutung und Vermarktung der lebenswichtigen Ressource, sagt sie. Oft verlangten die Unternehmen für Wasser und Abwasserbeseitigung viel höhere Preise als kommunale Betreiber.
„Die Privatisierung des Sektors geht klar zulasten des globalen Südens“, sagt die Aktivistin. „Das von den UN verbriefte Recht auf sauberes Trinkwasser und sanitäre Versorgung wird mit Füßen getreten.“ Meistern lasse sich die Krise nur, so Barlow, „wenn der Wasserhandel gerechten Leitlinien unterworfen wird und die Versorgung weltweit sichergestellt ist“. Diese auch von den UN in der Agenda 2030 gesteckten Ziele liegen in weiter Ferne.