Lang lebe der Kaffee

Kaffee gilt nach neuen Erkenntnissen als Antrieb für Revolutionen. Der Handel mit dem kostbaren Rohstoff fördert jedoch noch immer Ungleichheit. Wie passt das zusammen?

Kaffee, Kaffeetasse
Foto: Yagi Studio/Getty Images

Schwarz, heiß, bitter – und aufputschend. Aber Kaffee als Treibstoff für Revolutionen? Offenbar schon. Wie neue wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, fördert der koffeinhaltige Wachmacher progressive Denkstrukturen. Was ein Grund dafür ist, dass Kaffee schon häufig einen beachtlichen Anteil an gesellschaftlichen Umbrüchen hatte. Wie die ARTE-Doku „Kaffee – Geheim­nisse eines Wunder­tranks“ zeigt, finden sich beim Blick in die Geschichtsbücher dafür zahlreiche Belege.

Als Kaffee vom 17. Jahrhundert an von Nordafrika nach Europa und Amerika gelangte, öffneten in vielen Städten immer mehr Kaffeehäuser. Sie boten den Menschen Räume für Gespräche und Diskussionen, die von den Herrschenden nur schwer kontrolliert werden konnten. So wurde die Amerikanische Unabhängigkeitserklärung 1776 in einem Kaffeehaus verfasst und kurz vor Beginn der Französischen Revolution Ende der 1780er Jahre nahm der Konsum des dunklen Gebräus rapide zu. Das Café Procope in Paris entwickelte sich zur Keimzelle des Widerstands gegen den König. Auch die Manifeste der Deutschen Revolution wurden 1848 in Kaffeehäusern geschrieben. Und Karl Marx hätte seine Schriften über den Kapitalismus und die industrielle Revolution ohne den Dauerkonsum des Heißgetränks wohl nie vollendet.

Im 21. Jahrhundert sind Produktion und Handel von Kaffee längst globalisiert. Die Früchte der Kaffeepflanze gelten als zweitwichtigstes Gut des Welthandels – nach Erdöl. Auch in Deutschland ist Kaffee mit 162 Litern pro Kopf im Jahr das mit Abstand beliebteste Getränk. Während sich die Kaffee-­Exporte in den vergangenen 30 Jahren mehr als vervierfacht haben, profitieren die Erzeuger in den Hauptanbaugebieten in Afrika und Südamerika jedoch kaum von diesem Boom. Nur rund fünf Prozent des Preises, den die Kunden in Europa und in anderen Industrienationen für Kaffee­bohnen oder -­pulver zahlen, kommen als Lohn bei den Landwirten an. Ist der Anheizer von Revolutionen damit selbst zum Instrument von Unterdrückung geworden?

Entwicklungshelfer warnen schon lange, dass die Kaffeebauern des globalen Südens angesichts der schwankenden Weltmarktpreise besonders benachteiligt werden. Ein Grund dafür: Die Lieferketten werden von wenigen multinationalen ­Handels- und Röst­firmen dominiert. Fünf Konzerne beherrschen etwa 45 Prozent des weltweiten Kaffeemarkts. Erschwerend hinzu kommen sinkende Ernteerträge aufgrund des Klimawandels, schwindende Anbauflächen und steigende Landwirtschafts- und Haushaltskosten. Trotz harter Arbeit auf den Plantagen landen viele Bauern in der Armutsfalle.

Kaffee – Geheimnisse eines Wundertranks

Dokumentarfilm

Donnerstag, 1.4. — 20.15 Uhr
bis 30.4. in der Mediathek

Fair produzierter Kaffee für alle
Dabei gibt es längst eine weltweit vernetzte Bewegung zu fairem Handel – allen voran das Fairtrade-­Siegel. Doch warum setzen sich entsprechende Initiativen nicht durch? Fairtrade-­Modelle sind in vielen Regionen der Welt für Bauern eine attraktive Alternative zum konventionellen Vertriebsweg. Was schlicht fehlt, ist die breite Nachfrage. Auch im reichen Deutschland. Der Marktanteil von fair gehandeltem Kaffee beträgt hierzuande laut Greenpeace gerade einmal knapp fünf Prozent.

Durch den Zusammenschluss von Kooperativen und kleinbäuerlichen Betrieben und die damit einhergehende Stärkung der Verhandlungsmacht fördern die Fairtrade-Initiativen stabilere Einkommen, den Zugang zu Finanzierung, Beratung und Trainings sowie nachhaltigere und umweltschonendere Anbaumethoden. Auch in Sachen Produktivität und Qualität punktet Fairtrade-­Kaffee gegenüber konventionellem.

Hoffnung auf einen Wandel im Umgang mit importierten Gütern verspricht das neue Lieferkettengesetz zum Schutz der Menschenrechte, das diesen Sommer vom Bundestag verabschiedet werden und 2023 in Kraft treten soll. „Die Ausbeutung von Mensch und Natur sowie Kinderarbeit dürfen nicht zur Grundlage einer globalen Wirtschaft und unseres Wohlstandes werden“, sagt Bundesentwicklungsminister Gerd ­Müller (CSU) in diesem Zusammenhang. Bislang basieren globale Lieferketten von deutschen Unternehmen lediglich auf freiwilligen Selbstverpflichtungen. Kritiker bewerten den neuen Gesetzesentwurf noch als zu lasch, da er Sublieferanten bislang außer Acht lässt.

Nicht überliefert ist, wie viel Kaffee während der seit Jahren andauernden Ausarbeitung des Gesetzes getrunken wurde. Womöglich nicht genug. Muss sich der Kaffee am Ende selbst revolutionieren?

Ausbeutung darf nicht zur Grundlage unseres Wohlstandes werden

Gerd Müller, Bundesentwicklungsminister