Auf dem Balkon des Maison Fournaise am Seine-Ufer in Chatou, etwa zehn Kilometer westlich von Paris, vergnügt sich eine Gesellschaft – Menschen, die sich unterhalten, Blicke zuwerfen, tuscheln. Es wirkt wie ein Schnappschuss unter Freunden: Pierre-Auguste Renoirs „Frühstück der Ruderer“, das er im Sommer 1880 malte. Ein Motiv wie dieses, das heute nicht ungewöhnlich erscheint, war für seine Zeitgenossen radikal neu. Woher nahm der Impressionist, den ARTE in einer Dokumentation porträtiert, seine Inspiration? Was zeichnet seine Kunst aus, die von März an in der Ausstellung „Renoir. Rococo Revival“ im Frankfurter Städel Museum zu sehen ist?
Als Sohn eines Schneiders und einer Zuschneiderin wuchs Renoir im Schatten des Pariser Louvre auf, den er regelmäßig besuchte. Eine Lehre zum Porzellanmaler ermöglichte es ihm, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Während der Arbeit studierte er die Alten Meister des 18. Jahrhunderts – und entdeckte das Rokoko für sich, darunter sein Vorbild Antoine Watteau. Auf der École des Beaux Arts, die er später besuchte, traf Renoir auf völlig neue Einflüsse. Mit den Künstlern Claude Monet und Frédéric Bazille suchte er nach einer innovativen Malerei.
Alltägliches wird märchenhaft
In den 1870er Jahren entstand schließlich, durch eine kleine Avantgarde, der Impressionismus: ein Stil des schnellen Pinselstrichs, der das Fertige nur andeutet und den Moment einfängt. Der neue Malstil war Ausdruck für den Aufbruch in die Moderne. Neu war etwa die Hinwendung zum Alltäglichen: Die Impressionisten zeigten Szenen in Ausgehlokalen und an populären Ausflugsorten. Zu sehen sind Bürger in der Pariser Peripherie bei Vergnügungen, die in der Kunst bislang dem Adel oder Göttern vorbehalten waren. „Das ganz Alltägliche war für ihn märchenhaft“, schrieb Renoirs Sohn später über den Maler. Renoir verstand die Bewegung des Impressionismus nicht als Revolution, sondern als eine Weiterführung dessen, was die Alten Meister geschaffen haben. Die Verbindung zum Rokoko macht sich in seiner Kunst bemerkbar: „Renoir hatte durchaus Verkaufsdruck. Viele Impressionisten, die wie Monet oder Bazille aus reichen Familien stammten, hatten es nicht nötig, zu verkaufen. Der Brückenschlag zum Rokoko war für Renoir auch ein verkaufsfördernder Aspekt, weil er sah: Das läuft wieder gut. Diesen Rückbezug wollen wir mit der Ausstellung verdeutlichen“, so Alexander Eiling, Kurator im Städel Museum, im Gespräch mit dem ARTE Magazin.
Das zu Zeiten der Französischen Revolution noch als Kunst des Adels verpönte, als dekadent und Symbol für schlechten Geschmack geltende Rokoko wurde von den 1850er Jahren an zu einer Art Nationalstil. „Renoir griff die Traditionslinie auf und führte sie in die Moderne. Sein freier Umgang mit ungemischten Farben, die Spontaneität im Pinselstrich, unbestimmte Gesten und Blickbeziehungen, die nicht entschlüsselt werden: Das alles waren mutige Entscheidungen für die damalige Zeit“, sagt Eiling. Der Impressionist ermöglichte mit seinen Werken einen Dialog: „Das Bild wird erst im Auge des Betrachters vollendet. Er wird sozusagen zum Partner in Crime.“
Renoir war durchaus erfolgreich – er hatte viele Porträtaufträge, reiche Förderer, stellte in Salons aus und verbrachte die Sommermonate im Landhaus. Doch die Idylle wurde alsbald getrübt durch den Ausbruch des Deutsch-Französischen Kriegs 1870. Auch der Kunstschaffende musste einrücken, weitab der Front. Als er im Frühjahr nach Paris zurückkehrte, geriet er in die Wirren des Bürgerkriegs und erlebte den Ausruf der Pariser Kommune. In einer Zeit des Umbruchs, die von Aufständen und Gewalt geprägt war, klammerte Renoir – wie viele Impressionisten – die harten sozialen Realitäten aus. In seinen Bildern ist der Wunsch erkennbar, zur Normalität zurückzukehren. 1872, nur ein Jahr nach Kriegsende, fertigte Renoir sein großformatiges Gemälde „Pont Neuf“ an. Darin porträtiert er die Pariser Vielfalt und das zu neuem Reichtum gekommene Bürgertum, das in seinen Gewohnheiten den alten Adel imitierte – eine Wäscherin neben einem Boulanger, daneben eine Tänzerin und ein Ruderer. Es ist die idealisierte Fiktion vom guten Leben, der Traum von Einklang und von einer versöhnten Gesellschaft nach einer politisch unruhigen Zeit.
Bereits zu Lebzeiten hatte man Renoir – der insgesamt knapp 6.000 Werke hinterließ – als „Maler des Glücks“ bezeichnet. Zu Recht, wie Eiling betont: „Er wollte den Menschen Freude bereiten. Und das tut er bis heute.“