Rechtspopulismus, Terrorismus, Künstliche Intelligenz (KI) – jedes dieser Themen bietet Stoff für etliche Kinofilme. Dem auf einer Kurzgeschichte des Journalisten Dirk Kurbjuweit basierenden Thriller „Das Haus“, den ARTE im Dezember zeigt, gelingt das Kunststück, sie alle in einen 90-Minüter zu packen. Im Zentrum der Handlung: ein KI-gesteuertes Designer-Haus auf einer Insel, das ein geschasster Reporter – gespielt von Tobias Moretti – als Zufluchtsort nutzt. Was als Gadget-Traum beginnt, wird alsbald tödlicher Horror. Im Interview mit dem ARTE Magazin spricht Hauptdarsteller Moretti über sein Verhältnis zur nächsten Stufe der Digitalisierung – und über Mordlust auf selbstfahrende Koffer.
arte magazin Herr Moretti, in Ihrem Wiener Lieblingsquartier, dem Hotel Altstadt Vienna, durften Sie unlängst ein eigenes Zimmer gestalten – den Moretti Room. Was erfährt man über Sie, sollte man sich dort für ein paar Nächte einmieten?
Tobias Moretti Ich tu’ mich langsam schwer, dieses Hotel zu empfehlen, weil es mittlerweile so überlaufen ist, dass man selbst kein Zimmer mehr bekommt. Daher keine Empfehlung! Als man mich gefragt hat, es zu gestalten, war der Ansatz, meine zwei Welten in einem Raum zu verbinden: den urbanen Raum, also die Bühne, sowie den Blick meines Zuhauses inmitten einer archaischen Landschaft.
arte magazin Sie wohnen ja, wenn Sie nicht gerade Filme drehen, auf einem Bauernhof in Tirol – relativ analog vermutlich. Hätte Geld keinerlei Rolle gespielt, hätten Sie das Hotelzimmer nach neuestem Stand der Technik in ein Smarthome verwandelt?
Tobias Moretti Die Aufgabe eines Hotelzimmers ist weniger die Besonderheit der Innenarchitektur, sondern einfach das Sich-Wohlfühlen. Manchmal – wirklich nur manchmal – lassen sich diese beiden Dinge verbinden. Was mein Zuhause betrifft, ist es eine eigene, archaische, aber auch gradlinige Welt der Arbeit und des Seins. Auf keinen Fall aber eine Gegenwelt zur Gegenwart. Trotzdem steht der Mensch als Mensch im Mittelpunkt und nicht der Mensch als virtuelle Figur.
arte magazin Im Film „Das Haus“ passt sich das KI-gestützte Computersystem eines smarten Gebäudes so sehr Ihrem Protagonisten an, dass es bereit ist, alle Grenzen zu überschreiten. Finden Sie die Idee, eine so hochentwickelte Maschine zu besitzen, verlockend?
Tobias Moretti Das ist ja das Problem: Verlockend ist das sehr wohl. Wie viele Entwicklungen der letzten Zeit, nicht nur in technischer, sondern auch in politischer Hinsicht, haben die meisten eine Vision einer technischen Machbarkeit als Ausgangspunkt. Das ist für jeden verführerisch, auch für ganze Generationen, denn jeder will seine Zeit als Spiegel neu definiert sehen. Vieles entwickelt sich zu einem nicht mehr steuerbaren Multiplikator. Nehmen Sie die Möglichkeiten der sozialen Medien: Eigentlich sind die ja als demokratisches Instrument gedacht, aber mittlerweile stellen sie die Demokratie infrage. Im Ernst: Wollen Sie eine Maschine, die Sie besser kennt als Sie sich selbst, wirklich kennenlernen und mit ihr leben? Da gehört wohl auch eine Portion Naivität dazu, um so was immer noch kritiklos zu propagieren.
arte magazin Wie technikaffin waren Sie vor den Dreharbeiten zu „Das Haus“?
Tobias Moretti Ich will mit meinem Handy telefonieren, Fotos machen und verschicken, SMS schreiben, lesen und per E-Mail Informationen einholen, mehr nicht. Den Rest erledigen Bücher und analoge Kommunikation.
arte magazin Es gibt also keine Gadgets, auf die Sie im Alltag ungern verzichten würden?
Tobias Moretti Sehen Sie, da stehe ich schon an, bei „Gadgets“ muss ich bereits nachfragen, was Sie meinen. Also die technischen Helferlein sozusagen? Mein Rennradl, mein Messer, das jeder Tiroler mit sich führt, und mein … ich weiß nicht, der Alltag in meiner Berufswelt ist völlig verschieden von meiner Arbeitswelt daheim. Irgendeine hydraulische Unterstützung braucht’s immer.
arte magazin Und gibt es technische Raffinessen aus „Das Haus“, die Sie sich gegenwärtig wünschen – das autonome Wassertaxi zum Beispiel oder den selbstfahrenden Rollkoffer?
Tobias Moretti Den selbstfahrenden Rollkoffer habe ich schon im Film gemordet und ihn über Bord geworfen, was mir eine Rüge der Produktion eingebracht hat. Autonomes Fahren finde ich weder im Wassertaxi noch im Automobil erstrebenswert. In beiden Fällen ist es eher eine Stressverdichtung als eine Entspannung, weil man Maschinen letztendlich nie völlig vertrauen darf.
arte magazin Von einem eher philosophischen Standpunkt aus betrachtet: Haben Sie das Gefühl, wir Menschen befinden uns mit der Weiterentwicklung von Künstlicher Intelligenz auf dem richtigen Weg?
Tobias Moretti Wir befinden uns mit Sicherheit auf einem höchst problematischen Weg, weil der Mensch ja nicht einmal fähig ist, mit seiner eigenen Intelligenz vernünftig umzugehen. Maschinen werden von Menschen erfunden, also spiegelt die jeweilige Maschine auch irgendwo wider, was in dem Kopf der jeweiligen Programmierer vorgeht. Dass jemand eine Topspezialistin oder ein Topspezialist in ihrem oder seinem Fach ist, schließt ja nicht aus, dass sie oder er im Leben als Mensch völlig vereinsamt und seelisch verkrüppelt ist. Und die Maschine wirkt dann als Multiplikator.
arte magazin Ist das gefährlich?
Tobias Moretti Wir sind in jedem Fall in den technischen Machbarkeiten weiter, als der Mensch in seiner Kapazität begreifen und ethisch hinterfragen kann. Letztendlich läuft es auf eine Grundsatzfrage hinaus: Ist der Mensch Gott? Und Gott kann er nicht sein, da er vor allem in Kategorien der Nützlichkeit denkt. Ein Wissenschaftler hat mal gesagt, alle würden über Künstliche Intelligenz schimpfen, es gebe aber auch reichlich Probleme mit der natürlichen Dummheit. Ich sag mal so: Wenn sich beides verbindet, wird es, glaube ich, richtig übel. Auch darum geht es ja, unter anderem, im Film.
arte magazin Im Film spielen Sie einen Journalisten. Hatten Sie je Interesse an diesem Beruf – oder auch einem anderen abseits der Schauspielerei?
Tobias Moretti Die Recherche ist eine Schnittmenge unserer beiden Berufe. Ich habe ein paar Semester Komposition studiert, das dann aber aufgegeben, weil es mir mehr mit Mathematik als mit Musik zu tun haben schien. Vielleicht wäre ich auch Gabelstapelfahrer geworden, wer weiß . Jedenfalls irgendwas mit Fahrzeugen.
arte magazin Ihr Landsmann Christoph Waltz sagte in einem Interview: Hollywood sei das Ziel eines jeden Schauspielers. Träumen Sie manchmal von einer späten Hollywood-Karriere, wie sie Waltz erlebt?
Tobias Moretti Für Christoph stimmt das mit Sicherheit, weil er immer mit dem angelsächsischen Raum verbunden war. Wie man weiß, schätzen auch manche Hollywoodgrößen unsere europäische Filmkultur, die viel mit unserer Theatertradition zu tun hat. Wenn man das Glück hat, eine tolle Rolle in einer Hollywoodproduktion zu spielen, ist das das große Los. Trotzdem kann ich für mich felsenfest behaupten, dass ich kein halbes Jahr in den USA leben möchte, dafür ist mir unsere Lebenskultur zu nah und zu wertvoll.
arte magazin Unabhängig von Hollywood: Gibt es historische Figuren oder bekannte Charaktere, die Sie in den nächsten Jahren gerne spielen würden – insofern das Drehbuch passt?
Tobias Moretti Lauter nette Menschen wie Nero oder Caligula.
Es läuft auf eine Grundsatzfrage hinaus: Ist der Mensch Gott?
Smart ist nicht gleich schlau
Internetfähige Technik soll unser Leben erleichtern – schafft sie das wirklich?
Rund 3,5 Millionen Menschen nutzten in Deutschland laut Statistischem Bundesamt 2020 smarte Haushaltsgeräte wie internetfähige Kühlschränke, Kaffeemaschinen oder Saugroboter. Beliebt ist Smarthome-Technologie – teils gesteuert von Künstlicher Intelligenz (KI) – zudem in den Bereichen Energiemanagement, Sicherheit und Unterhaltungselektronik.
PRO
Die smarte Rundumversorgung mit Hard- und Software dient nicht nur bequemen, sondern vor allem hilfsbedürftigen Menschen. So gibt es sensor- und kameragestützte Systeme, die automatisch Alarm schlagen, wenn ein
älterer Mensch in seiner Wohnung stürzt. Oder KI-basierte Gesundheitssoftware, die die Atemluft analysiert, um beispielsweise bei einer Diabetes-Therapie zu unterstützen. KI kann Leben retten!
CONTRA
Die Liste der Probleme, die smarte Technologie verursacht, ist lang. Ein Ausschnitt: Die Rundumvernetzung ist teuer, energieaufwendig, schafft Unmengen an Elektroschrott und wirkt bisweilen noch extrem unausgereift – vor allem hinsichtlich der Datensicherheit. Hochrangige Wissenschaftler warnen zudem, dass wir Künstlicher Intelligenz nicht zu viel Raum in unserem Alltag schenken sollten. Der Kontrollverlust gegenüber den Maschinen sei sonst vorprogrammiert.