…mal weniger

Weltweit bedroht der steigende Meeres­spiegel Küstenregionen und Inseln. Auf den Malediven und in Südkorea will man der Gefahr mit schwimmenden Städten trotzen.

Blick auf OceanixCity von oben
Foto: OceanixCity / Top / Image by BIG Bjarke Ingels Group

Metropolen am Meer sind in den ­vergangenen Jahrzehnten rasant gewachsen. ­Weltweit leben derzeit rund 900 Millionen ­Menschen in Küstenregionen, die meisten in Städten. Viele von ihnen müssen sich darauf einstellen, dass ihr Zuhause infolge der Erderwärmung und dem daraus resultierenden Anstieg des Meeresspiegels samt immer verheerenderen Stürmen und Überflutungen mittelfristig nicht mehr bewohnbar sein wird. Schon heute sorgen sich Immobilienbesitzer von ­Miami über São ­Paulo bis ­Jakarta und ­Sydney um den Fortbestand ihrer Häuser.

Am stärksten betroffen von den maritimen Auswirkungen des Klimawandels ist allerdings die Bevölkerung jener Inselgruppen, deren Landfläche nur knapp aus dem Meer herausragt, wie etwa auf den Marshall­inseln im Pazifik. Die Rettung des Archipels mithilfe von Wellenbrechern und meterhohen Deichen wäre technisch ex­trem aufwendig und teuer – und wurde daher von der Regierung aufgegeben, weil dem Land die finanziellen Mittel fehlen. Die Folge: Immer mehr Menschen verlassen die Inseln, um sich andernorts eine neue Existenz aufzubauen, wie ­Fabiano ­DAmato und ­Emmanuel ­Gétaz in der ARTE-Dokumentation „Land unter! Wie schützen wir unsere Küsten?“ berichten. Ließen sich der Landverlust und die Abwanderung, die auch Nationen wie Tuvalu, den Malediven und weiteren Inselstaaten drohen, eventuell stoppen?

„Vulnerable Inselgruppen, aber auch dicht bevölkerte Küstenregionen sollten nicht mit horrend teuren Schutzbauten versuchen, gegen die Fluten und den steigenden Meeresspiegel zu kämpfen“, sagt ­Koen ­Olthuis vom Architekturbüro ­Waterstudio in Den Haag. „Es ist viel sinnvoller, das Meer als Baugrund für neue urbane Flächen zu nutzen.“

Wie solche schwimmenden Siedlungen gebaut werden können, will ­Olthuis mit seinem Team in einem Atoll der Malediven demonstrieren. Dort plant er im Auftrag der Regierung seit 2022 eine Stadt auf dem Wasser. In der urbanisierten Lagune, zehn Minuten mit dem Schiff von der Hauptstadt Male entfernt, sollen ab Ende des Jahrzehnts bis zu 20.000 Menschen leben. „Ähnliche Projekte wurden bislang vor allem von der Tourismus­industrie angeschoben – in erster Linie für betuchte Reisende“, sagt ­Olthuis. Die von Waterstudio konzipierte Maldives Floating City (MFC) solle hingegen den Bewohnern der Inselrepublik ein sturm- und überflutungssicheres Zuhause bieten, so der Architekt. MFC besteht aus sechseckigen Pontons, die miteinander und mit den umliegenden Inseln des Atolls, die als Wellenbrecher dienen, verbunden sind. „Durch diese Konfiguration werden die Strukturen der Stadt stabilisiert“, so ­Olthuis. „Egal, wie hoch die Brandung ist oder der Meeresspiegel steigt – die Pontonsstadt schwimmt immer oben.“

Ähnlich ist das Bauprinzip von Ocea­nix Busan, einer schwimmenden Stadt, die ab Ende 2024 in der Bucht von Busan in Südkorea entstehen soll und aus Dutzenden miteinander verbundenen Plattformen zusammengebaut wird: Auf einer Fläche von rund sechs Hektar könnten dort bereits ab 2028 rund 12.000 Menschen leben und arbeiten. An dem von der UN-Organisation Habitat geförderten Projekt ist neben der US-Firma ­Oceanix, die die Plattformen entwickelt hat, das dänische Architekturbüro Bjarke Ingels Group (BIG) beteiligt.

Ursprünglich wollte das Konsortium schon 2023 einige Plattformen samt Infrastruktur errichten, doch bisher existiert nur ein Prototyp. Dessen Technik und Bauweise sind indes vielversprechend: Je nach Nutzungsart – Wohnplattform, Businessplattform, Agrarplattform, Freizeitplattform, Versorgungsplattform – wurden diverse Stadtmodule entwickelt. Dabei stand die Nachhaltigkeit im Fokus, betonen die Beteiligten: „Wir haben die Infrastruktur kreislauforientiert gestaltet“, sagt Oceanix-Chefin ­Itai ­Madamombe, „ob Wasser, Lebensmittel, Verbrauchsmaterial oder Abfall – alles wird wiederverwertet und der Strom zu 100 Prozent photovoltaisch erzeugt.“ Falls das Projekt in Busan erfolgreich ist, wolle sie die Technologie auch anderen Küstenmetropolen anbieten.