Als Anna Magnani in der Quizsendung „What’s my line?“ – dem US-Pendant zu „Was bin ich?“ – als unsichtbarer Gast auftritt, fragt eine Dame aus dem Rateteam: „Sind sie schön? “ Magnani zögert, dann lacht sie und sagt: „Sì!“
Wollte man es als Schauspielerin in früheren Jahrzehnten weit bringen, musste man sich seiner Schönheit wohlbewusst sein. Dabei zeichnet eine Künstlerin wie Magnani viel mehr aus. Was auch auf die anderen großen italienischen Filmdiven der Nachkriegszeit zutrifft, Sophia Loren und Claudia Cardinale. Was die spektakulären Karrieren dieser Frauen verbindet, zeigt ARTE im Feststagsprogramm im Dezember – mit drei ausführlichen Porträts.
Darin sieht man Kinderfotos von Anna Magnani, wie sie, 1908 in ärmlichen Verhältnissen geboren, bereits früh den charakteristischen Schatten unter den Augen trägt. Sie schlägt sich als Gauklerin durch, übernimmt kleine Rollen und avanciert 1945 mit „Rom, offene Stadt“ zum Star. Die Rolle der Widerstandskämpferin Pina in Roberto Rossellinis Klassiker des Neorealismus ist wegweisend. Magnanis Melange aus Zorn und Zärtlichkeit quillt förmlich über die Leinwand. Doch ihrem Kampfgeist ist das Scheitern eingeschrieben. Ein Scheitern in Würde.
Elf Jahre später verliert sie eine entscheidende Rolle an eine jüngere Rivalin. Als sie sich weigert, Sophia Loren in dem Drama „Und dennoch leben sie“ (1960) als Filmtochter zu akzeptieren, lässt Produzent Carlo Ponti Magnani fallen. Den Part der Mutter gibt er seiner 25-jährigen Lebensgefährtin Loren. Neben vielen weiteren Preisen bekommt diese für den Film einen Oscar als beste Hauptdarstellerin.
Den hatte Magnani bereits als erste italienische Schauspielerin überhaupt für „The Rose Tattoo“ (1955)erhalten. Sie sollte, nein, sie wollte trotz vieler Angebote insgesamt nur drei Filme in den USA drehen und wandte sich in den 1960er Jahren neuerlich der Bühne zu. Die Selbstbestimmtheit ihrer Figuren entsprach ihrer eigenen. Das Publikum hat sie dafür verehrt, dass sie eine Kämpferin ist, eine Löwin, die ihre Überzeugungen wie ihre Jungen zu verteidigen weiß. Eine Mamma Roma.
Der Weg zum Ruhm verlief für Sophia Loren, der besagten verschmähten Filmtochter, ungleich gradliniger. Frühe Schönheit ebnet ihr als Jugendliche den Weg aus dem Armenviertel Neapels – über Miss-Wahlen in Rom zu ersten Rollen in den Filmstudios Cinecittà. Auch die ihr Leben wie ihre Karriere prägende Beziehung zum Star-Produzenten Carlo Ponti nimmt hier ihren Anfang. Anders als Magnani ist Loren eine gemachte Frau, zunächst von ihrer ehrgeizigen Mutter angetrieben, später von ihrem Förderer Ponti in nationalen und internationalen Produktionen platziert, avanciert sie zum Inbegriff der italienischen Sexbombe. Loren ist zwar, im Gegensatz zu zahllosen Aspirantinnen auf diese eher zweifelhaften Zuschreibungen, immer mehr als die Summe ihrer Körperteile. Aber alles an ihr wirkt stets „larger than life“: die Körpergröße, der riesige Mund, die ausladenden Hüften, später die großen Brillen, die toupierten Haare und die Bereitschaft, ja der unbedingte Wille, ihre Brüste auch mit über 70 Jahren in tief ausgeschnittenen Kleidern zu präsentieren. Eine unbändige Frau.
Sohn als Bruder ausgegeben
Claudia Cardinale galt im Italien der Nachkriegszeit als die dritte große Filmdiva. Anders als Magnani und Loren war sie jedoch wenig greifbar. Mögen Ablauf und Aufbau ihrer Karriere der von Sophia Loren ähneln – die Schönheitswettbewerbe, der Produzent als Förderer, der PR-Zug nach Hollywood –, so geht ihr deren Durchlässigkeit ab. Aufgewachsen in Tunis als Tochter sizilianischer Einwanderer, spricht Cardinale bis zum 18. Lebensjahr kein Italienisch und wird lange Jahre in ihrer Heimat sogar synchronisiert. Ihre Stimme ist so widersprüchlich wie sie selbst. Als 19-Jährige wird Cardinale infolge einer Vergewaltigung schwanger. Auf Rat ihres Förderers und späteren Ehemannes, dem Produzenten Franco Cristaldi, gibt sie ihren Sohn als ihren Bruder aus, um ihre Karriere nicht zu gefährden. Jahre später deckt sie selbst diese Lüge auf. Ihre makellose Schönheit und die Artigkeit ihres Auftretens lassen sie als perfektes Produkt erscheinen. Es gibt nicht wenige Rollen, die diese Harmlosigkeit bedient haben – man denke nur an die verunglückten „Petroleummiezen“ (1971) –, aber immer wieder Meisterwerke wie Viscontis „Leopard“ (1963) oder „Spiel mir das Lied vom Tod“ (1968), in denen Kälte, Härte und eine Ahnung von Irrsinn Cardinales Makellosigkeit marmorieren. Von Cristaldi hat Cardinale sich später nicht nur getrennt, sondern auch emanzipiert. Sie ist nicht die Frau, die sich einrichtet und bleibt. Sie ist die ewige Geliebte.