Magische Realitäten

Der Meister des japanischen Trickfilms Hayao Miyazaki verzaubert mit tiefgründigen Geschichten – und hinterfragt dabei unser Verhältnis zur Natur und zum Leben.

Miyazakis Fabelwesen Totoro aus dem Film
Mit seiner Bildsprache (hier: „Mein Nachbar Totoro“, 1988) gewann Hayao Miyazaki international Anerkennung. Foto: Picture Alliance/Mary Evans Picture Library/AF Archive/Walt Disney

Eine Prinzessin reitet auf einem Wolf durch den Wald. Zwei Schwestern freunden sich mit Naturgeistern an. Ein Junge eilt mit einem sprechenden Graureiher zu einem Turm. So vielschichtig die Fantasiewelten von Hayao Miyazaki auch sind – die Handschrift des japanischen Anime-Meisters ist leicht zu identifizieren. Mit seinem jüngsten Werk „Der Junge und der Reiher“ (2023) gewann der 83-jährige Regisseur und Filmproduzent dieses Jahr seinen zweiten Oscar und landete damit nach zehnjähriger Pause noch einmal einen Coup. Eigentlich hatte sich Miyazaki bereits 2013 in den Ruhestand verabschiedet. Was macht die Filme des Japaners weltweit so beliebt?

Hayao Miyazaki wurde 1941, mitten im Pazifikkrieg, als Sohn eines Flugzeugunternehmers in Tokio geboren. Auf der Flucht vor Bombardements der US-Streitkräfte zog seine Familie in die 100 Kilometer nördlich gelegene Stadt Utsunomiya. „Sie entkamen buchstäblich durch das Feuer. Er sagt, er erinnere sich, dass seine Straße in Flammen stand“, so Susan Napier, Autorin der Biografie „Miyazakiworld: A Life in Art“.

1958 erschien mit „Erzählung einer weißen Schlange“ der erste Anime, so heißen in Japan produzierte Zeichentrickfilme, in Farbe im Kino: „Damals zeichnete ich historische und nihilistische Mangas. Als ich den Film sah, fiel es mir wie Schuppen von den Augen“, sagte Miyazaki später. Zwischen Manga – dem japanischen Comic – und Anime-Filmen gab es bis dahin kaum Überschneidungen; auf die Leinwand kamen Märchen und japanische Legenden. Miyazaki vernetzte bald beide Genres und ließ zwischen ihnen eine Symbiose entstehen: Nach seinem Politik- und Ökonomiestudium schloss er sich 1963 dem Studio Toei an und begann in der aufblühenden japanischen Animationsfilmindustrie seine Karriere als Zeichner und Layouter. Er arbeitete ab 1974 bei der Serie „Heidi“ mit, die sich auch im deutschsprachigen Fernsehen großer Beliebtheit erfreute, und lernte seinen späteren Geschäftspartner Isao Takahata kennen.

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