Gier gewinnt

Es ist das meistverkaufte Gesellschaftsspiel der Welt und Lieblingsspiel der Deutschen. Dabei werden beim Familienritual Monopoly unsere schlechtesten Eigenschaften belohnt.

Mr. Monopoly als Mural an einer Hauswand
Popkultur: Als Mural ziert Mr. Monopoly eine Hauswand in Frankreich. Foto: Julian Hochgesang / Unsplash

Was der Beatles-Song „Yesterday“ in der Pop­kultur ist, ist Monopoly bei Spielen: meist-gecovert. Kein anderes Brettspiel wurde öfter neu erfunden, weltweit mehr als tausendmal. 47 Varianten listet allein der US-amerikanische Webshop des Konzerns Hasbro auf, der seit 1991 die Rechte an der Marke hält. Barbie und Star Wars stehen dort neben einer Gamer-­Edition aus dem Super-­Mario-­Universum sowie einem Pizza­Monopoly – kalorienfrei, aber Geschmackssache. Ebenso wie ein Lizenzprodukt aus Deutschland: das Bundeswehr-Monopoly, entwickelt und vertrieben von einer Ex-Soldatin. Längst haben auch Städte von Rostock bis Freiburg eigene Editionen. Aus Schlossallee und Parkstraße werden dann Kröpeliner Straße und Münsterplatz – exklusive Adressen für Heimatverliebte.

Mehr als 275 Millionen Verkäufe in 114 Ländern und 47 Sprachen: Die Erfolgsbilanz von Monopoly liest sich beeindruckend. Als das Marktforschungsinstitut ­Splendid ­Research vor einigen Jahren nach dem Lieblingsspiel der Deutschen fragte, landete Monopoly mit 15 ­Prozent auf Platz eins, gefolgt von „Mensch ärgere dich nicht“ und weit vor Schach oder Skat. Die Pappschachtel mit dem Zylinder und Schnauzer tragenden Maskottchen, für das in den 1930er Jahren gleich zwei Bankiers optisch Pate gestanden haben sollen, liegt laut einer Statista­Umfrage in mehr als zwei Dritteln der deutschen Haushalte im Schrank. Monopoly-­Runden sind ein generationsübergreifendes Ritual – wenngleich das Ringen um Straßenzüge, Häuschen und den dicksten Geldstapel nicht immer konfliktfrei abläuft. „Der Monopoly-­Mann ist das Synonym für die beliebteste Familienkatastrophe zu Weihnachten“, spöttelt ein britischer Spiele-Blogger mit dem Pseudonym TableTop Temple.

Tatsächlich kitzelt Monopoly weniger edle menschliche Eigenschaften hervor: Gier, Rücksichtslosigkeit, Schadenfreude. „Ich kann so sein, wie ich im echten Leben hoffentlich nicht bin, und als Erzkapitalist alle anderen in den Ruin treiben“, beschreibt Spielwissenschaftler Jens Junge, einer der Experten in der ARTE-­Dokumentation „­Monopoly: Spiel ohne Erbarmen“, diese dunkle Seite. Der Reiz liege aber auch in der Hoffnung, wenn nicht in der ersten, dann in der nächsten Runde den Zufall auf seiner Seite zu haben, um in die Rolle des ökonomisch Starken schlüpfen zu können, sagt der Direktor des Instituts für Ludologie an der SRH Berlin University of Applied Sciences im Gespräch mit dem ARTE Magazin.

Monopoly: Spiel ohne Erbarmen

Geschichtsdoku

Donnerstag, 29.8.
— 20.15 Uhr

bis 26.11. in der
Mediathek

 

Welche Straße führt zum Sieg?

Monopoly-Erfolg stütze sich auf „Würfelglück und Wahrscheinlichkeitsrechnung“, so Junge, „in den ersten zehn Minuten entscheidet sich sehr viel.“ Im Internet finden sich reichlich Tipps, um die Siegchancen zu steigern: Felder, auf denen die Spielfiguren statistisch häufiger landen etwa. Oder mit welchen Straßen das meiste Geld zu holen ist. „Kaufe Orange und Rot, dann ist die Miete schnell im Lot!“, reimt es dem Besucher von der offiziellen Monopoly–Seite auf Facebook entgegen. Prosaischer ging es -Truman -Collins an: Der vermögende Unternehmerspross und Informatiker aus dem US-Bundesstaat Oregon stellte vor fast 30 Jahren endlose Tabellen mit Spieloptionen ins Netz, die Fans bis heute auswendig lernen können. Künstliche Intelligenz (KI) ließen die australischen b2studios auf den Klassiker los. Ein animiertes Youtube-Video gibt auf amüsante Art wieder, wie die KI Monopoly–Strategien ausklügelt – in 11,2 Millionen virtuellen Partien. Eine Woche dauerte das, wofür Menschen am Spielbrett rein rechnerisch 1.600 Jahre gebraucht hätten.

Längst ist Monopoly auch im digitalen Gaming–Kosmos zu Hause, gerade erst hat der französische Konzern -Ubisoft eine neue Version für Computer und Konsolen angekündigt. Ludo-loge Jens Junge ist in diesem Zusammenhang eines wichtig: „Grundlage für jedes digitale Spiel sind analoge Spiele.“ Ohne Verständnis für Spielmechaniken und -balance- könne kein Medieninformatiker zu Werke gehen. Während aber der Games-Standort Deutschland finanziell gefördert werde, vernachlässige die Politik seit Langem das Kulturgut Brettspiel, beklagt der Experte. Nun ist Besserung in Sicht: 2027 soll im thüringischen Altenburg mit dem „Yosephinum“ eine Spieleerlebniswelt eröffnen, die -Junge maßgeblich mitkonzipiert hat. Der Ort blickt auf eine 500-jährige Spieletradition zurück. Auch eine Archivsammlung von mittlerweile 52.000 Spielen, die der Forscher und sein Team aufgebaut haben, könnte in Altenburg ihre dauerhafte Bleibe als Schaudepot finden. Und Monopoly ist selbstverständlich immer mit im Spiel.

Ich kann so sein, wie ich im echten Leben hoffentlich nicht bin

Jens Junge, Spielwissenschaftler