Man hätte gern gewusst, worüber Prince Charles mit Ray Davies plauschte, nachdem er ihn 2017 im Buckingham-Palast zum Ritter geschlagen hatte. Ging es um das Kreuz mit den kleinen Brüdern, von denen der Prince of Wales sogar zwei hat? Oder um den Umstand, dass sich Davies seit mehr als 50 Jahren Kink nennen darf, er selbst sich aber noch immer nicht King? Ray Davies jedenfalls lächelte amüsiert ob seiner Hoheit launiger Flüstereien, so wie er die Absurditäten des Lebens ja stets mit einem süffisanten Lächeln im Mundwinkel betrachtet. Danach verließ der Mann, dessen Werk und Verdienst es war, sein Leben lang das Gegenteil von einem Sir gewesen zu sein, den Palast als Sir – und, wie es sich für einen Musiker gehört, mit einem Song auf den Lippen: Als ihn ein Reporter fragte, wie sich der Adelstitel denn nun so anhöre, stimmte er, in bestem Nordlondoner Arbeiterakzent, ein paar Takte eines alten Doris-Day-Klassikers an – und man musste schon genau hinhören, um zu erkennen, dass er nicht „Que Sera, Sera“ sang, sondern „Que Sir Ray, Sir Ray“.
Nein, der „Well Respected Man“, den er schon 1965 in seinem gleichnamigen Song mit den Worten „oh, so good, oh so fine“ sezierte, wird Davies auch auf seine alten Tage nicht mehr. Der hohle Pomp und die stets mit einem dünkelhaften Konservativismus einhergehende Exzentrizität, die in Britannien als Ausweis von Gesellschaftsfähigkeit hinhält, waren ihm stets fern. Davies war die Stimme der „Common People“, des biertrinkenden Mannes und der marmeladekochenden Frau, deren Dach undicht ist und deren Küchenspüle leckt – „out of work and got no money, a Sunday joint of bread and honey“, wie es in dem Song „Dead End Street“ von 1966 heißt, einem Top-Fünf-Hit, den Radio und Fernsehen seinerzeit gleichwohl als unspielbar erachteten. So viel Wirklichkeit war unerhört damals, zumal im Gewand solch verstörend schöner Songs, wie Ray Davies sie schrieb. The Kinks seien die erste Band gewesen, die eine Dimension hatte, „in der sich Sozialchronik, journalistische Satire und Literarisches verbanden“, sagt Michka Assayas, Rockkritiker und Autor – und einer der vielen Kenner, die Christophe Conte in seiner ARTE-Dokumentation „The Kinks: Die bösen Jungs des Rock ’n’ Rolls“ zu Wort kommen lässt.
Ray Davies wurde 1944 im Londoner Bezirk Muswell Hill geboren, und er war 19 Jahre alt, als er die Kinks gründete. Sein jüngster Bruder Dave, den er für verwöhnt und missraten hielt, war 16. Aber er war ein Naturtalent an der Gitarre und außerdem extrem gut aussehend, und deshalb nahm ihn Ray mit in die Band. Es war immer Musik im Hause Davies. Die Eltern liebten die alten Vaudeville- und Music-Hall-Schlager, die den britischen Arbeitern nach den Kriegs-Verheerungen Heimat und Hoffnung boten – und denen auch der Rock ’n’ Roll nichts anhaben konnte. Und auch auf der anderen Seite der Straße, im Pub, war Musik: Da sangen die Männer Trink- und Fußballlieder. Und der junge Ray Davies träumte davon, „dass sie eines Tages eines meiner Lieder singen, wenn sie aus dem Pub kommen“. Heute tun sie es, und allein deshalb muss man sich Davies, inzwischen 75, als einen glücklichen Menschen vorstellen.
Er ist sicher auch nicht mehr gram über das lästige Einreiseverbot in die USA in den popkulturell epochalen Jahren von 1965 bis 1969. Das hatte die Kinks zunächst daran gehindert, wie ihre Landsmänner von den Rolling Stones „Sweet Virginia“ zu entdecken. Davies und seine Mitmusiker bewahrten stattdessen als „Village Green Society“ den Schnitt des britischen Vorstadtrasens. Zu wild, zu spöttisch und vor allem: zu englisch seien die Kinks gewesen fürs Rock-’n’-Roll-
Pantheon, heißt es in der Doku. Für den Buckingham-Palast hat es dann immerhin doch noch gereicht.
Ich hasse es immer noch, berühmt zu sein