Rebellische Cineastin

Als Margarethe von Trotta beschloss, Regisseurin zu werden, gab es kaum Frauen als Vorbilder. So wurde sie selbst eines – solidarisch und selbstironisch.

Margarethe von Trotta Porträt in schwarz-weiß
Seit die Regisseurin 1981 in Venedig den Goldenen Löwen für „Die bleierne Zeit“ gewann, gilt sie als Ikone der Filmemacherinnen. Foto: picture-alliance dpa

Die Bundesrepublik der 1950er Jahre war ­Margarethe von Trotta einfach zu eng. Sie bot der jungen, offenen Frau keinen Spielraum. Zu Studienzwecken machte sie sich also nach Paris auf. Dort fühlte sich die gebürtige Berlinerin „wie befreit“. Sie konnte sich ausprobieren und entdeckte das Kino: die Nouvelle Vague, die Idee des Autorenkinos und vor allem ­Ingmar ­Bergmans Drama „Das siebente Siegel“ (1957). Dieser Film sei für sie eine Erleuchtung gewesen, betont sie im Dokumentarfilm „­Margarethe von ­Trotta: Zeit der Frauen“, den ARTE anlässlich ihres 80. Geburtstags im Februar zeigt. Beeindruckt habe sie die Art, wie der schwedische Regisseur zum einen den Glauben und zum anderen den Zweifel an Gottes Existenz in Szene gesetzt habe.

Bald nach ihrer Ankunft in Paris beginnt ­Margarethe von ­Trotta, mit Freunden Kurzfilme zu drehen. Learning by seeing: Wie man eine Pistole hält, wie man lebt, liebt und mit großen Gesten stirbt, all das hatte sie zuvor auf der großen Leinwand gesehen. Schon damals wusste von Trotta, dass sich ihr Platz hinter der Kamera befindet. Doch gab es kaum weibliche Vorbilder, in deren Fußstapfen sie treten konnte. Ihren Wunsch, Regisseurin zu werden, behielt sie deshalb zunächst für sich. Und so beschreibt sie die Schauspielerei heute rückblickend als „listigen Umweg“. Es sollte ihr ureigener Weg werden, den sie mit schöner und beispielloser Unbeirrbarkeit beschreitet.

Nach Bühnenengagements in Dinkelsbühl, Stuttgart und Frankfurt tritt sie vermehrt in Filmen auf. Schließlich werden die Regisseure des jungen deutschen Films auf sie aufmerksam. Von Trotta dreht mit ­Rainer ­Werner ­Fassbinder, ­Klaus ­Lemke, ­Reinhard Hauff und später auch mit ­Herbert ­Achternbusch. Learning by acting.

In Volker Schlöndorffs Verfilmung von ­Bertolt Brechts Theaterstück „Baal“ (1970) spielt sie die Freundin des getriebenen Dichters und Anarchisten (dargestellt von ­Fassbinder). Die von ihr verkörperte Sophie ist eine Frau, die sich der Grenzen ihres bürgerlichen Daseins bewusst ist. Mit „Baal“ kann sie ausbrechen, doch bringt das zerstörerische und selbstzerstörerische Wesen der Hauptfigur sie an Grenzen. Die zaghafte und doch entschlossene Sophie, die das Abenteuer Freiheit sucht, ist eine Seelenverwandte der späteren Von-Trotta-­Heldinnen. Nach den Dreharbeiten zu „Baal“ werden ­Schlöndorff und von Trotta ein Team, entwickeln und schreiben­ gemeinsam Drehbücher, führen zusammen Regie bei „Die verlorene Ehre der ­Katharina Blum“ (1975). Trotz ihrer jahrelangen Erfahrung beim Film muss ­Schlöndorff beim WDR für sie bürgen, bevor von Trotta das erste eigene Projekt realisieren darf. Der Titel ihres Regiedebüts „Das zweite Erwachen der ­Christa ­Klages“ (1978) lässt sich programmatisch verstehen: Auch der Werdegang der Heldin folgt einem Zickzackkurs mit überraschendem Ausgang.

Es sind Ängste, Hoffnungen und Utopien, die von ­Trotta mit ihren Frauenfiguren teilt. Ihre Filme erzählen von Müttern, Schwestern, Angestellten, Intellektuellen, Rebellinnen, Revolutionärinnen – die ihr Leben und das Leben überhaupt verändern wollen. Man spürt von ­Trottas unbedingte und vorbehaltlose Nähe zu diesen Frauen, deren Schicksale sie persönlich angehen und bewegen. Sie gibt ihren Heldinnen die Rückendeckung, die sie von ihrer Umgebung nicht bekommen. Sie versinnbildlicht die soziale und gesellschaftliche Enge, in der sie leben – und findet doch immer Zeichen eines inneren oder äußeren Widerstandes, eines unbedingten Willens, sich nicht den Verhältnissen zu beugen.

Frauenfiguren, denen man näherkommt

Aus der Vogelperspektive sieht man etwa „­Rosa ­Luxemburg“ (1986) bei ihrem Rundgang im Gefängnis, umschlossen von schweren Mauern. Mit leichten Variationen zieht sich diese Totale wie ein Leitmotiv durch den Film, doch wird die für ihren Glauben an eine bessere Welt inhaftierte Frau einen Teil des Gefängnishofes in einen Garten verwandeln, sich an dem bisschen Grün in ihrer ansonsten kargen Umgebung erfreuen.

In „Die bleierne Zeit“ (1981) besucht Juliane (­Jutta ­Lampe) wiederholt ihre Schwester Marianne (­Barbara ­Sukowa) im Gefängnis, die sich dem bewaffneten Widerstand angeschlossen hat. Stets sieht man die beiden Frauen im Bild durch einen Tisch voneinander getrennt. Einmal, nachdem die Besuchszeit abgelaufen ist, tauschen sie unvermittelt ihre Pullover aus – ein Akt der schwesterlichen, der weiblichen Solidarität, wie man ihm immer wieder in ­Margarethe von ­Trottas Kino begegnet.

Dass man diesen Frauenfiguren tatsächlich näherkommt, dafür sprechen auch die Auszeichnungen, mit denen ihre Darstellerinnen – neben ­Lampe und ­Sukowa etwa ­Katja ­Riemann und ­Tina ­Engel – auf Filmfestivals geehrt wurden. Als von ­Trotta 2019 beim Deutschen Filmpreis die Lola für ihre besonderen Verdienste gewann, fand die feministische Pionierin des deutschen Kinos für die Statuette einen selbstironischen Kommentar: „Sie ist wunderschön, wie sie über die Schärpe, das Filmband, gerade einmal so drüber guckt – so habe ich mich eigentlich auch immer gefühlt.“

Margarethe von Trotta: Zeit der Frauen

Dokumentarfilm

Montag, 21.2. — 22.25 Uhr

bis 21.5. in der Mediathek

Rosenstraße

Drama

Montag, 21.2. — 20.15 Uhr

bis 27.2. in der Mediathek