Auf keinen Fall wollte ich mich ducken.“ Das hat die US-amerikanische Schauspielerin Sigourney Weaver einmal über sich gesagt. Sie ist groß gewachsen – six feet tall, mehr als 180 Zentimeter – und damit nicht leicht zu besetzen. Denn immer noch hält sich das Klischee, dass der Mann in einem Nebeneinander der größere Part sein sollte. Weaver war schon in der Pubertät hoch aufgeschossen, aber sie wusste, dass sie sich damit eines Tages wohlfühlen würde. Was sie nicht ahnen konnte: dass ihre Körpergröße zu einem wesentlichen Faktor in ihrer Kinokarriere werden sollte. Als der britische Regisseur Ridley Scott Ende der 1970er Jahre die Rollen für einen Science-Fiction-Film besetzte, kam Weaver sogar in High Heels. So wurde sie Teil der Crew der „Nostromo“, eines schäbigen Frachtschiffs, das in den Tiefen des Weltalls eine Begegnung der grässlichen Art hat: Die Raumfahrer stoßen auf ein Alien, ein außerirdisches Wesen, das nichts mit der davor geläufigen Idee der kleinen, grünen Männchen gemein hat. Sieben Menschen arbeiten auf der „Nostromo“, zwei davon sind Frauen. Aber am Ende gibt es nur eine Überlebende: Ellen Louise Ripley.
Mit dieser Figur ist Sigourney Weaver seither eng verbunden. „Alien“ kam 1979 ins Kino und wurde ein sensationeller Erfolg. Und zwar nicht zuletzt wegen der unerwarteten Heldin: Zum ersten Mal war es eine Frau, mit der das Publikum in einem Spannungsfilm mitfiebern sollte. Das US-amerikanische Kino ist stark auf männliche Problemlöser fixiert. In „Alien“ aber bleibt alles an Ripley hängen – und damit an einer Figur, die sich auch gegenüber einem Monster aus einer unbekannten Galaxie nicht wegduckte, sondern einige der besten Qualitäten des Homo sapiens zum Einsatz brachte: Körperlichkeit und Intelligenz. Ursprünglich hätte Paul Newman die Hauptrolle spielen sollen. Aber erst durch Sigourney Weaver wurde „Alien“ ein epochaler Film. Auch in Hollywood gelten die Gesetze der Kreativität: Man muss manchmal Regeln brechen, um neue Standards zu etablieren.
Die ARTE-Dokumentation „Sigourney Weaver – Actionheldin und Stil-Ikone“ zeigt die Schauspielerin als Vorbild für eine ganze Generation starker Filmfiguren: Ohne Ellen Ripley hätte es vielleicht keine Lara Croft, keine Trinity in „Matrix“ (1998), keine Superheldin namens Black Widow gegeben. Das Tanktop, das ärmellose Oberteil, mit dem davor maskuline Charismatiker wie Marlon Brando ihre starken Schultern betont hatten, wurde zum Kleidungsstück von Frauen, die problemlos mit schweren Waffen zu hantieren wussten. 1984 wurde Linda Hamilton in James Camerons „Terminator“ berühmt – Sigourney Weaver hatte ihre erste Nachfolgerin gefunden. Bald gab es zu „Alien“ auch eine Fortsetzung, Regie führte ebendieser James Cameron. Er machte aus Ripley endgültig eine überlebensgroße Figur, die im Kopf eines Riesenroboters eine gigantische Materialschlacht besteht.
KLASSISCHE OSTKÜSTEN-LIBERALE
Mit ihrem bürgerliche Namen Susan Alexandra hätte das vielleicht auch funktioniert, aber Susy Weaver, wie sie in jungen Jahren gerufen wurde, hatte dann doch nicht den Klang ihres Pseudonyms. Den Vornamen Sigourney fand sie in F. Scott Fitzgeralds Roman „Der große Gatsby“ (1925) und übernahm ihn mit brillanter Intuition für sich. Nun hatte sie einen echten Starnamen, der Unverwechselbarkeit signalisierte. Nun hatte sie in Hollywood Gewicht und konnte beginnen, sich auch über das eigene Image zu amüsieren. Ihre zweite große Rolle in diesen frühen Jahren spielte sie in „Ghostbusters“ (1984), einem Film über Geisterjäger, der das Actiongenre (Riesenwaffen, Riesenegos, Riesenmonster) auf die Schippe nahm. Neben Bill Murray behauptete Sigourney Weaver sich als Komödiantin. Dass sie sich genauso auf seriösere Themen versteht, bewies sie in „Gorillas im Nebel“ (1988), in dem sie die Zoologin Dian Fossey spielte, die in Afrika Menschenaffen erforschte. Ein Golden Globe und eine Oscar-Nominierung als Beste Schauspielerin steigerten das Prestige von Sigourney Weaver weiter.
Ihren Einfluss macht sie immer wieder auch für politische Anliegen geltend. Sie ist eine klassische Ostküsten-Liberale und hält die Werte ihrer Geburtsstadt New York hoch, etwa im feministischen Drama „Call Jane“ (2022) über Frauennetzwerke zur Organisation heimlicher Abtreibungen. James Cameron besetzte sie in seinen „Avatar“-Filmen als Wissenschaftlerin Grace Augustine, eine besonders spannende Grenzgängerin zwischen indigener und hochtechnologischer Kultur. Dieses Jahr wird Sigourney Weaver 75 Jahre alt. Im Starsystem des amerikanischen Kinos nimmt sie längst einen herausragenden Platz ein.