Sie könnte nicht glücklicher sein. Das sonnige Paris zeigt sich von seiner schönsten Seite und jedes Wort, das ihr Liebhaber sagt, klingt nach einem Kompliment. Sogar ein Heiratsantrag steht im Raum, da erfährt Nona (Miou-Miou), dass sie schwanger ist. Alles könnte perfekt sein. Das Problem: Die Frau ist schon 70 Jahre alt, weshalb die Nachricht eher ein Schock ist. Nicht nur für Nona selbst, sondern auch für ihre erwachsenen Drillingstöchter Manu (Virginie Ledoyen), Gaby (Clothilde Hesme) und George (Valérie Donzelli). Dabei sind die Schwestern von ihrer Mutter Überraschungen gewohnt, schließlich ist die Feministin das Gegenteil einer spießigen Seniorin. Allein durch ihr Engagement als Familienberaterin im multikulturellen Arbeiterviertel Goutte d’Or in Paris sind kleinere Alltagskatastrophen für die Familie an der Tagesordnung. Dennoch trifft die Schwangerschaft alle unvorbereitet. Und es kommt noch schlimmer: Die eindeutige Vaterschaft ihres Verehrers kann nicht festgestellt werden; für eine Abtreibung ist es da bereits zu spät.
Die Familie versucht Nonas Schwangerschaft so lange wie möglich geheim zu halten und verstrickt sich dabei immer weiter in absurden Ausflüchten. Gerade weil sich Nona immer für sexuelle Aufklärung eingesetzt hat, schämt sie sich zunächst für ihre Lage – und muss doch lernen, das Beste daraus zu machen.
Der Plot der Serie „Nona und ihre Töchter“, die ARTE ab Dezember zeigt, wirkt zunächst wie der für die Regisseurin Valérie Donzelli typische Flirt mit Tabus und dem Fantastischen. Die Geschichte hat jedoch durchaus gesellschaftliche Relevanz: Sexualität im Alter, insbesondere die von Frauen, ist immer noch ein verpöntes Thema – selbst in liberalen, fortschrittlichen Familien. Die US-amerikanische Essayistin Susan Sontag prangerte die unterschiedlichen Maßstäbe gegenüber alternden Frauen und Männern bereits 1972 in einem Vortrag an und nannte sie den „Doppelstandard des Alterns“.
Verstaubte Klischees
Traditionelle Rollen- und Familienbilder werden auch in anderen Stücken von Valérie Donzelli immer wieder aufs Korn genommen – teils humorvoll, teils provokant. Ihr Film „Das Leben gehört uns“ (2011), in dem sich junge Eltern um ihren krebskranken Sohn kümmern, ist ihr bisher größter Erfolg. Er stellt die gleichberechtigte Fürsorge des Paares in den Mittelpunkt, das sich die Aufgaben teilt. Eine Liebe zwischen Geschwistern, die sie in dem Drama „Marguerite et Julien“ (2015) inszenierte, sorgte hingegen für Kontroversen. Auch für ihre erste Serie „Nona und ihre Töchter“ hat Donzelli sich vorgenommen, auf heitere Weise „das politisch Inkorrekte weiter voranzutreiben“ und „die Regeln der traditionellen Familie zu entstauben“. Dies gelingt ihr nicht nur durch ungewöhnliche Frauenfiguren. Auch die männlichen Protagonisten entsprechen keinem Stereotyp – zu sehen sind sie als gefühlvolle Hebamme, liebeskranker Romantiker und bildschönes Aktmodell.
Ohne direkt darauf anzuspielen, erinnert die Serie an die Twitter-Debatte #regrettingmotherhood, in der Frauen, angeregt durch eine Studie der israelischen Soziologin Orna Donath (2015), öffentlich das Kinderkriegen bereuten und über ihre Elternrolle klagten. Die Studie provozierte und gab den Anstoß zu einer Diskussion über die negativen Seiten einer Mutterschaft. Auch Valérie Donzelli zielt mit ihrer Serie darauf ab, die Vielschichtigkeit des Themas zu ergründen. Sie wollte nicht nur mit Altersklischees aufräumen, sondern zeigen, „dass Mutterschaft sowohl eine Superkraft als auch ein zerstörerisches ‚Supergift‘“ sein kann, betont die Französin.
Zur Person
Valérie Donzelli, Regisseurin und Schauspielerin
Die 48-Jährige studierte Architektur und Schauspiel und hat sich als feste Größe des französischen Kinos etabliert.
In ihrer ersten Serie „Nona und ihre Töchter“ führte sie Regie, schrieb das Drehbuch und spielte Tochter George.