Ein richtiger Lauch, das wäre mal was. Mit Hühnerbrust und Knilcharmen. Oder ein leicht Angeschwabbelter, mit Plauzenbauch. Aber nein, so entgegenkommend die Chippendales in den inzwischen tatsächlich 40 Jahren ihres Blankzieh-Bestehens waren, was Variationen in Haarschnitt und Hautfarbe anging, beim kleinsten gemeinsamen Nenner ihrer Stripmänner bleiben sie so hart wie deren Bauchdecken: Auch wenn die Bemuskelung in jüngster Zeit deutlich abgerüstet wurde, ein ambitioniert modellierter Sixpack muss schon sein.
Vier Jahrzehnte lang entledigen sich wechselnde Herren mit den gleichen Manschetten und Fliegenkragen nun schon ihrer Höschen, doch eine grundsätzliche Frage blieb bis jetzt ungeklärt: Ist das nun tatsächlich irgendwie schon ein Schritt zur Gleichberechtigung der Geschlechter, wenn nicht mehr nur Männer in Clubs gehen, um Frauen beim showmäßig aufgerüschten Abrüschen zuzusehen, sondern es auch ein gendermäßig vertauschtes Angebot gibt? Oder funktioniert das mit dem weiblichen Empowerment trotzdem nicht, weil die Chippendales-Show sich zwar zur Abwechslung an Frauen richtet, aber mit ihrem ganzen Konzept ja doch nur sexistische Strukturen nachahmt? Man weiß es nicht. Und staunt einfach, dass jährlich inzwischen zwei Millionen Menschen weltweit kreischen, wenn auf der Bühne der Schritt gelüftet wird.
Die Chippendales scheinen als erste männliche Strip-Showtanzgruppe überhaupt tatsächlich unverwüstlich, ebenso wie die Klischees, die sie transportieren. „Viele verschiedene Fantasien“ wollen sie bedienen, aber dann ist es doch ganz gerne mal der Mann in Uniform, der als Kreischobjekt die Hüften kreisen lässt. Kein strippender Punk oder Versicherungsvertreter, nirgends. Deutlich spannender ist da tatsächlich die Business-Geschichte hinter der ganzen Bürzelzeigerei: Erfunden wurden die Chippendales von Somen Banerjee, einem Tankstellenbesitzer, und dem Junganwalt Bruce Nahin, die Ende der 1970er Jahre in Los Angeles einen Nachtclub mit dem überaus deprimierenden Namen „Destiny II“ kauften.
Ein Sitzmöbel als Namenspatron? Mittelprächtig!
Diverse halbherzige Versuche, den abgewirtschafteten Club neu zu beleben, waren schon gescheitert, als man ihnen die Idee einer Männerstripshow pitchte. Die sollte eigentlich nur kurzzeitig im „Destiny II“ gastieren, darum gab man der zusammengesammelten Truppe von Zeigewilligen den etwas lieblosen Namen „Chippendales“ – abgeleitet von den Sofas des gleichnamigen Möbelstils, die nun mal eben im Club herumstanden. Ein Sitzmöbel als Namenspatron, das ist eine eher mittelprächtig erotische Markenprägung. Dazu passend war das Chippendales-Programm zu Beginn auch eine eher uninspirierte Abfolge von Einzelstrips, bis Banerjee und Nahin den exzentrischen Choreografen Nick De Noia anheuerten, der mit den Strippern eine Tanzshow einstudierte, die bereits deutliche Züge des heutigen Konzepts aufwies.
Was dann folgte, ist eher Stoff für eine Krimiserie als für schwüle Fantasien: Banerjee ging wenig zimperlich vor und ließ gerne Konkurrenzschuppen niederbrennen, die es nach dem schnellen Erfolg der Chippendales ebenfalls mit einem Männerstrip-Programm versuchten. Schließlich überwarf er sich mit De Noia, das Blankhintern-Business teilte sich zwischen der stationären Bühnentruppe und einer reisenden Tourneetruppe auf. Letztere lief unter der Regie von De Noia, und ihr Erfolg machte Banerjee 1987 schließlich derart rasend, dass er einen Auftragskiller anheuerte und den verhassten Choreografen erschießen ließ. 1993 wurde ihm dafür der Prozess gemacht, er tötete sich in seiner Gefängniszelle.
Entschmuddelisierung des Stripperwesens
Es ist faszinierend, wie sehr blank epilierte Oberfläche und düsterer Hintergrund bei den Chippendales auseinanderklaffen. Und auch, wenn man selbst eher nicht begeistert quietschen würde, wenn man bei einer ihrer Shows als Publikumsmitwirkende auf der Bühne zwischen zwei Nacktleibern gesandwicht würde: Ihr Einfluss auf die Popkultur ist unbestritten groß. Ebenso ihr Beitrag für eine Entschmuddelisierung des Stripperwesens, sei es nun männlich oder weiblich. Die beliebtesten Tänzer sind Stars mit eigenem Merchandise (na gut: Nagelfeilen, auf denen sie abgedruckt sind). In den USA strippte zeitweilig auch schon Schauspieler Ian Ziering mit, bekannt als Steve Sanders aus der Serie „Beverly Hills, 90210“, außerdem diverse Galane aus „The Bachelor“. In Deutschland ist im Herbst erneut Ur-„Bachelor“ Paul Janke als Conférencier der Show mit dabei – er macht sich allerdings nur obenrum frei.