Bin ich mit 1,67 Meter nun groß oder klein? In meiner Heimatstadt Düsseldorf wohl eher klein. Denn dort sind mir fast nur Menschen begegnet, die größer waren als ich. Daher trug ich auch, sobald meine Mutter es mir erlaubte, Schuhe mit möglichst hohen Absätzen und flunkerte, ich sei 1,70 Meter groß. Trotzdem blieb ich für viele meiner Freunde stets: „die Kleine“.
Nie hätte ich gedacht, dass sich das einfach durch einen Umzug ändern ließe. Doch seit ich in Frankreich bin, schaut man plötzlich zu mir auf, bittet mich, Gegenstände aus höheren Regalfächern zu holen oder zur Seite zu treten, weil ich anderen die Sicht versperre. Diese Menschen – die Franzosen – sind erstaunlich häufig kleiner als ich. Unsere Töchter sind im Vergleich zu ihren Mitschülern ebenfalls groß, was mich angesichts der Altersangaben bei französischer Kinderkleidung regelmäßig in den Wahnsinn treibt. Laut Etikett sind meine beiden nämlich zwei Jahre größer, als sie alt sind. Auch mein Mann ist mit 1,82 Meter in seiner Heimat eine stattliche Erscheinung. Doch auf Partys in Deutschland wird er oft überragt, selbst von meinen Freundinnen. „Am deutschen Essen kann das nicht liegen“, spottet er dann.
Immer wieder verweisen die hämischen Deutschen beim Thema Größe auf kleine Franzosen wie Napoleon (1,66 Meter) oder Nicolas Sarkozy (1,65 Meter). Doch offensichtlich ignorieren sie, dass Napoleon zu seiner Zeit Gardemaß hatte und Sarkozy unter den französischen Präsidenten eine Ausnahme ist. Man denke an Charles de Gaulle (1,97 Meter), Valéry Giscard d’Estaing (1,89 Meter) oder Jacques Chirac (1,89 Meter). Auch diverse Statistiken belegen: Franzosen sind im Schnitt nur einen Zentimeter kleiner als Deutsche. Zugegeben, im echten Leben trifft man diesen Durchschnitt kaum. Na, denken Sie auch, was ich denke? Irgendein kleiner Franzose muss die Statistik gefälscht haben! Nur schade, dass er dabei nicht gleich das durchschnittliche Gewicht der Deutschen mit geschönt hat: Diese bringen nämlich knappe fünf Kilo mehr auf die Waage als ihre schlanken Nachbarn – und das lässt sich mit dem einen Zentimeter mehr nun wirklich nicht rechtfertigen.
Die Autorin lebt seit 2009 in Straßburg und arbeitet als freie Journalistin.