Als Hurrikan Ian im vorigen Herbst im Süden der USA wütete, kamen mehr als 160 Menschen ums Leben. Zehntausende verloren ihr Hab und Gut; Tausende Gebäude wurden zerstört. Die finanziellen Schäden beliefen sich laut Schätzungen der Behörden auf 113 Milliarden US-Dollar – die drittgrößte Summe nach Hurrikan Katrina 2005 und Hurrikan Harvey 2017. Nicht nur für die direkt Betroffenen, sondern auch für die Versicherer eine Extrembelastung: Sie mussten Policen in Höhe von rund 60 Milliarden US-Dollar auszahlen; etliche Firmen rutschten dadurch in die Insolvenz.
Monsterstürme wie Hurrikan Ian oder die Flutkatastrophe 2021 im Ahrtal, die Versicherungsschäden in Höhe von rund 8,5 Milliarden Euro verursachte, bringen die Assekuranzbranche an ihre Grenzen. Die Summe der versicherten Sachwerte übersteigt aufgrund der immer häufiger und heftiger wütenden Unwetter mittlerweile regelmäßig das für die Schadensregulierung vorhandene Kapital vieler Versicherungsanbieter.
Überraschend ist das nicht. Allein in Deutschland könnten durch den Klimawandel hervorgerufene Katastrophen bis zum Jahr 2050 Schäden von bis zu 900 Milliarden Euro verursachen, so das Ergebnis einer vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz Anfang März veröffentlichten Studie. „Die Klimakrise führt nicht nur zu mehr Naturkatastrophen, sie verstärkt zudem deren jeweilige Zerstörungskraft“, sagt auch Friderike Kuik, Risikobewerterin bei der Europäischen Zentralbank in Frankfurt. „Die Schäden werden von Jahr zu Jahr größer.“ Um ausreichende Reserven zur Verfügung zu haben, müssten die Versicherungsbeiträge signifikant steigen. Doch wer will das schon?
Große Rückversicherer wie Swiss Re oder Munich Re, die das Risiko herkömmlicher Versicherungsfirmen bei Großschadenereignissen abfedern, aber auch Kommunen in besonders gefährdeten Regionen besorgen sich inzwischen Kapital bei institutionellen Anlegern oder Privatinvestoren. Dazu nutzen sie sogenannte Cat Bonds. Die seit Mitte der 1990er Jahre begebenen Katastrophenanleihen sind begehrt, weil sie für die Dauer der Laufzeit – meist drei bis vier Jahre – mit zehn oder mehr Prozent fest verzinst sind. Turbulenzen an den Finanzmärkten tangieren sie nicht. Dennoch sind die Risiken beträchtlich: Sobald bestimmte Auslöser, etwa die Summe der durch eine Katastrophe entstandenen Schäden, erreicht oder überschritten sind, gehört die Anleihe den Emittenten, und die Investoren verlieren ihren Einsatz. „Im schlimmsten Fall ist für die Anleger alles weg“, sagt John Seo, einer der Finanzexperten, die in der ARTE-Dokureihe „Planet Finance“ zu Wort kommen. Mit seiner Firma Fermat Capital verwaltet er Hochrisikopapiere im Wert von mehr als zehn Milliarden US-Dollar. Bislang hätten die Anleger seiner Cat-Bond-Fonds, die gegen diverse Katastrophenfälle wetten – von Wirbelstürmen über Waldbrände bis zu Cyber-Angriffen –, allerdings „noch keine Totalverluste“ verkraften müssen, so der Investmentmanager.
KRITIK VON KLIMASCHÜTZERN
Wie lang das so bleibt, ist ungewiss. So fiel der globale Cat-Bond-Index, mit dem Swiss Re seit 2007 den Wert von Katastrophenanleihen misst, binnen weniger Tage um zehn Prozent, als Ende 2022 die Höhe der von Hurrikan Ian verursachten Versicherungsschäden absehbar wurde. Etliche Cat Bonds endeten infolge des Sturms in einem Debakel für die Anleger. Auch einige Publikumsfonds, die in die riskanten Anleihen investiert hatten, mussten Verluste hinnehmen.
Analysten des Schweizer Rückversicherungskonzerns sehen gravierende Probleme auf die Branche zukommen: „Die Prämien für Gebäudeversicherungen werden sich bis 2040 vermutlich pro Jahr um fünf Prozent verteuern, um den Schadenshöhen gerecht zu werden“, sagt Jérôme Haegeli, Chefvolkswirt bei Swiss Re. Cat Bonds könnten den Anstieg zwar dämpfen, dürften vielen Anlegern dann aber zu riskant werden.
Einige Klimaschutzverbände halten Katastrophenanleihen ohnehin für fragwürdig: „Je mehr Versicherungen, Kommunen oder Unternehmen sich mit der Ausgabe von Cat Bonds vor den finanziellen Auswirkungen des Klimawandels schützen wollen, desto weniger investieren sie in Maßnahmen, die Katastrophenschäden bereits im Vorfeld minimieren könnten“, sagt etwa Sean Kidney, Chef und Mitgründer der britischen Climate Bonds Initiative. „Das Kapital ist besser in Nachhaltigkeitsfonds aufgehoben, deren Zweck dem Erreichen der Klimaziele dient.“