Auch dieses Jahr werde ich mich in ein ebenso unsicheres wie waghalsiges Abenteuer stürzen, um das Weihnachtsfest im Kreise meiner Liebsten in Paris zu verbringen. Ich werde am Berliner Hauptbahnhof in einen ICE steigen und mich – bepackt mit Präsenten und meinen Kindern im Schlepptau – auf eine neunstündige Reise einlassen. All das natürlich für das gute ökologische Gewissen. Dies verkünde ich meiner Familie in Frankreich mit dem feierlich-ernsten Unterton von jemandem, der einer neuen Berufung nachgeht und nur darauf wartet, auf die Probe gestellt zu werden. Schließlich gleicht eine Zugreise in Deutschland nicht selten einem militärischen Hindernislauf.
Die erste Hürde: die extrem niedrigen Chancen auf eine pünktliche Ankunft oder Abfahrt. Ich kann mich wirklich nicht entsinnen, wann ich das letzte Mal in einem pünktlichen Zug der Deutschen Bahn (DB) saß. Zweite Hürde: die zahlreichen bösen Überraschungen während der Fahrt. Darunter in letzter Minute ausgefallene Wagen, defekte Reservierungssysteme, Toiletten oder Klimaanlagen sowie geschlossene Bord-Restaurants. Nicht zu vergessen: die in diesem Chaos mürrisch, zum Teil auch verzweifelt agierenden Menschenmassen. Selbst die Beschäftigung der Kinder mit einem Film oder die Kommunikation mit der Außenwelt gestaltet sich häufig schwierig – zu schwach das WLAN, zu instabil das Mobilfunknetz.
Wenn doch bloß noch die DB-Nachtzüge nach Paris existierten. Dann könnte ich angesichts dieser Unannehmlichkeiten einfach meine Augen schließen. Und so träume ich manchmal davon, in einem TGV zu reisen. Hat man nicht gerade das Pech, einen Streiktag zu erwischen – was, zugegeben, nicht gerade selten der Fall ist –, ist eine Reise mit der französischen Bahn nämlich um einiges effizienter. Die Züge sind pünktlich, die Verbindungen schnell.
Dennoch bin ich zuversichtlich, dass auch hierzulande Besserung in Sicht ist. Schließlich hat die Regierung im Rahmen des Klimapakets Milliardeninvestitionen für die Bahn angekündigt. Dem Weihnachtsmann habe ich jedenfalls schon einen Brief geschrieben. Mein Wunsch? An den Festtagen heil ankommen, ohne Verspätung und Erkältung. Ob er ihn wohl dieses Jahr erhören wird?
Die Autorin lebt seit 2003 in Berlin und arbeitet als freie Journalistin