Zwischen zwei Studioproduktionen, bei denen er gerade seltene Katzen porträtiert, erzählt der Londoner Fotokünstler Tim Flach im Videocall, weshalb er am liebsten Tiere vor der Linse hat.
ARTE Magazin Herr Flach, wann haben Sie festgestellt, dass Tierportäts Ihr künstlerisches Metier sind?
Tim Flach Mich hat schon immer interessiert, wie wir Menschen zu den Mitbewohnern unseres Planeten stehen, wie viel oder wie wenig Respekt wir ihnen gegenüber aufbringen. Eines Tages wurde mir klar, dass unser Bild der Tiere besonders dadurch geprägt ist, wie nah oder fern wir ihnen sind. Haustiere sind den meisten Menschen naturgemäß näher als Wildtiere; sie werden gehegt und gepflegt, geliebt und wertgeschätzt. Tiere, die in freier Wildbahn leben, bekommen dagegen weit weniger Beachtung – viele von ihnen drohen inzwischen auszusterben. Vielleicht, dachte ich, kann man das Artensterben verhindern oder wenigstens bremsen, wenn man gefährdete Wildtiere ebenso aufwendig porträtiert wie Haustiere und sie dadurch mehr ins Blickfeld und ins Bewusstsein der Menschen rückt.
ARTE Magazin Ihre Tierporträts sind ein Beitrag zum Artenschutz?
Tim Flach Im Idealfall schon. Sie wirken anders als Fotos in Magazinen wie etwa National Geographic. Dort kommt es mehr auf das Habitat und die Lebensbedingungen an. Bei meinen Bildern geht es jedoch darum, emotionale Beziehungen zwischen Mensch und Tier herzustellen. Ich bin der Meinung: Je näher wir ihnen sind, desto mehr werden wir tun, um sie zu schützen und ihnen respektvoll zu begegnen.
ARTE Magazin Welche Stilmittel nutzen Sie, um diese Nähe herzustellen?
Tim Flach Es ist wichtig, die Tiere so zu zeigen, dass sie bei den Betrachtenden positive Emotionen auslösen. Bilder, die uns zum Schmunzeln bringen oder in Erstaunen versetzen, wirken besser als solche, die Mitleid oder Bestürzung hervorrufen. Mein Porträt eines Philippinenadlers etwa zeigt nicht nur dessen prachtvolles Gefieder, sondern auch die einzigartige Mimik des Vogels. Sein Blick hat eine geradezu magnetische Wirkung. Ähnlich verhält es sich bei dem Porträt eines Pandabären, in dessen Gesicht viele ein Kindchenschema erkennen. Diese Cuteness verringert die Distanz zu den Betrachtenden.
ARTE Magazin Wie führen Sie bei den Fotosessions Regie?
Tim Flach Indem ich den Tieren Raum gebe – ganz gleich, ob im Studio oder in der freien Wildbahn. Verbale Anweisungen helfen nicht; die Kommunikation zwischen den Tieren und mir läuft eher intuitiv ab. Das erfordert Einfühlungsvermögen und Geduld. Je länger ich mit ihnen arbeite, sie gewähren lasse, desto besser kann ich absehen, wie sie sich verhalten und sich bewegen werden.
ARTE Magazin Das klingt zwanglos. Wie stellen Sie sicher, dass eine Produktion die erhofften Resultate bringt?
Tim Flach Ich verlasse mich auf die Routine, die ich inzwischen im Umgang mit den Tieren habe. Und ich vertraue ihnen insofern, dass sie während der Produktion meist irgendwann spüren, worauf es ankommt.
ARTE Magazin Dann könnten Sie auch als Tierflüsterer Karriere machen?
Tim Flach (lacht) Die Idee hatte ich bislang nicht, aber falls mal irgendwann harte Zeiten kommen …