Wir leben auf einem blauen Planeten. Seit der belgische Zeichner Pierre Culliford alias Peyo 1958 die Schlümpfe erschuf, haben die Zipfelzwerge den Globus friedlich erobert. Heute gibt es 55 Übersetzungen für das Wort „Schlumpf“, vom italienischen „Puffo“ bis zum isländischen „Strumparnir“. 100 Millionen Schlumpffiguren aus Hartgummi bevölkern weltweit Kinderzimmer und Sammlervitrinen. Die Vereinten Nationen verpflichteten die Schlümpfe als Botschafter für Nachhaltigkeitsziele. Vor allem im Internet aber kursieren immer wieder absurde Theorien über die heile Schlumpfwelt. Der französische Autor Antoine Buéno untermauerte sie 2011 pseudowissenschaftlich in „Das kleine blaue Buch“. Obwohl nicht ganz ernst gemeint, folgten teils wütende Fan-Proteste. Was also steckt hinter dem blauen Imperium? Urteilen Sie selbst.
Baby Schlumpf, das Einzelkind
Das kommunistische China verfolgte lange die Ein-Kind-Politik. Schlumpf-Theoretikern dient dieser Umstand als weiterer Beweis für die rote Gesinnung der blauen Zwerge (→ Schlaubi). Denn Baby Schlumpf ist das einzige Kind im Dorf und wird noch dazu von allen gemeinsam betreut. Traditionelle Familienstrukturen sind also offenkundig in der Schlumpfgesellschaft aufgelöst. Dass Baby Schlumpf vom Storch gebracht wurde, gilt zudem als Anzeichen für Asexualität oder Homosexualität (→ Beauty).
Gargamel, Azrael und der Antisemitismus-Verdacht
Der Zauberer bietet eine ideale Projektionsfläche für schlumpfige Verschwörungstheoretiker in Online-Foren. Geäußert wird der Verdacht, Gargamel sei als antisemitische Karikatur und jüdischer Gegenspieler der Nazi-Schlümpfe (→ Papa Schlumpf) angelegt. Der Name seiner Katze, Azrael, erinnere nicht zufällig an Israel. Mal gilt er auch als Archetyp des Kapitalisten und Erzfeind eines kommunistischen Schlumpfhausens (→ Schlaubi). Außen vor blieb Gargamel lediglich bei einem frühen Rassismusverdacht gegen Schlumpfvater Peyo. Gleich im ersten Comic nämlich verwandelte ein Fliegenbiss die Schlümpfe in schwarze, bösartige Zombies. Da aber war der Hexenmeister noch gar nicht erfunden. Erst seit 1959 jagt er die blauen Knirpse.
Frauenverachtend: Schlumpfine
Die US-amerikanische Publizistin Katha Pollitt schrieb 1991 in der New York Times über das „Schlumpfine-Prinzip“ in Kino und Fersnehen. Sie geißelte damit die Praxis, einzelne weibliche Figuren in Männer-Ensembles zu platzieren. Es ist nicht wegzudiskutieren: Schlumpfine ist im Schlümpfe-Kosmos die Quotenfrau. Gargamel erschuf sie zunächst mit kurzen schwarzen Haaren, um Zwietracht zu säen. Erst Papa Schlumpf verwandelt sie in eine Männerfantasie – blond, mit knappem Kleid und Pumps. Beide Rollen bringen Feministinnen in Rage oder, wie Schriftstellerin Nina George, zur Forderung: „#EntschlumpftEuch!“
Papa Schlumpf, der Diktator
Folgt man Antoine Buéno, sind die Schlümpfe wahlweise Nazis (→ Gargamel) oder Kommunisten (→ Schlaubi), in jedem Fall aber eine totalitäre Gemeinschaft mit Papa Schlumpf als Führerfigur. Die rote Farbe seiner Kleidung stehe für Revolution, der Rauschebart mache ihn optisch zum Wiedergänger von Karl Marx. Mühelos vertreten Schlumpf-Verschwörer auch die Gegenthese: Danach wiesen die Schlümpfe Parallelen zum Ku-Klux-Klan auf, bei dem alle Weiß tragen – bis auf den rot gewandeten Anführer.
Ist Beauty homosexuell?
Schlümpfe und Sex? Bis heute ein heißes Eisen. Schöpfer Peyo hatte seinen Wesen kein erkennbares Beziehungsleben verpasst. 2001 räsonierte Jake Gyllenhaal als Donnie Darko im gleichnamigen Fantasy-Drama über das Auftauchen von Schlumpfine (→ Schlumpfine), die Asexualität der Schlümpfe im Allgemeinen und den homosexuellen Beauty. Das klischeehafte Verhalten des eitlen Schlumpfs spielt den Vertretern der Homosexualitätsthese (→ Baby Schlumpf) in die Hände. Er schmückt sich mit Blumen und schaut unentwegt in den Spiegel.
Trotzkis Wiedergänger Schlaubi
Der Verdacht, Schlumpfhausen sei eine kommunistische Diktatur (→ Papa Schlumpf), wird durch eine Reihe von Indizien genährt. So gilt Schlaubi Schlumpf als blaue Inkarnation von Leo Trotzki, dem Erzfeind Stalins. Wie Trotzki trägt er eine Brille – als einziger Schlumpf. Seine Besserwisserei, die als trotzkistische Regimekritik verstanden werden kann, nervt alle. Dass es im Kollektiv der Schlümpfe weder Geld noch Privatbesitz gibt und außerdem alle gleich aussehen, stützt die Kommunismus-Annahme.